Kriminalität:Herrmann will deutlich mehr Kameras im Nahverkehr und auf Plätzen

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Ein Schild mit dem Hinweis auf Videoüberwachung in der Münchner Innenstadt. (Foto: dpa)
  • Der Ausbau der Videoüberwachung sei vor allem sinnvoll im öffentlichen Nahverkehr, in Bahnhöfen, bei Großveranstaltungen und auf öffentlichen Plätzen, die Kriminalitätsbrennpunkte sind, sagt Herrmann.
  • Es sei aber keine Überwachung sämtlicher Straßen wie in britischen Städten geplant.
  • Die Opposition im Landtag unterstützt den Ausbau grundsätzlich, warnt aber vor einer Verwässerung des Datenschutzes.

Von Thomas Schmidt, München

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat einen massiven Ausbau der Videoüberwachung in sämtlichen Bereichen des öffentlichen Lebens angekündigt. Damit will die Staatsregierung für mehr Sicherheit in München und in Bayern sorgen. Zusammen mit der Polizei, der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und der Deutschen Bahn stellte der CSU-Minister am Dienstag einen Fünf-Punkte-Plan vor. "Eine Videoüberwachung sämtlicher Straßen, wie wir das in einigen britischen Städten erleben, wollen wir in Deutschland nicht", betonte Herrmann. "Wir werden die Videoüberwachung nur dort ausweiten, wo es sinnvoll ist." Datenschützer und Opposition sehen die Pläne kritisch.

"Sinnvoll" erscheint dem Minister der Ausbau der Videoüberwachung vor allem in S- und U-Bahnen und in Bahnhöfen sowie bei Großveranstaltungen und auf öffentlichen Plätzen, die von der Polizei als Kriminalitätsbrennpunkte identifiziert wurden.

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Beispiel Sendlinger-Tor-Platz: Bevor Kameras dort filmten, zählte die Polizei im Jahr 2009 noch 314 Straftaten. Im vergangenen Jahr waren es noch 243, knapp 23 Prozent weniger. Für Herrmann ein klares Indiz für den Erfolg der Überwachung. Auch am Hauptbahnhof wird längst gefilmt. Trotzdem stieg die Zahl der Straftaten dort von 2015 bis 2016 um mehr als 52 Prozent.

Der Minister zog daraus die Konsequenz, dass noch mehr Kameras notwendig sind. Ende Juli habe man daher die Zahl von zwei auf sechs erhöht. Auch am Stachus prüft die Münchner Polizei derzeit, eine zweite Kamera zu installieren.

Im öffentlichen Nahverkehr wird bereits fast flächendeckend gefilmt. In allen 100 U-Bahnhöfen überwachen insgesamt 1611 Kameras die Bahnsteige. Die Live-Bilder kann sich die Polizei per Knopfdruck auf die Bildschirme ihrer Einsatzzentrale schalten. Die S-Bahn filmt bisher 58 ihrer 150 Stationen. Zudem wird in sämtlichen Zügen und etwa einem Viertel der U-Bahnen gefilmt.

Minister Herrmann sieht hier noch "Handlungsbedarf". MVG und Deutsche Bahn haben bereits angekündigt, die Überwachung weiter auszuweiten. "Der Einsatz von Videotechnik führt zu einem deutlichen Rückgang von Gewaltkriminalität in den Zügen", erklärte Petra Höll von der DB. Auch Sachbeschädigungen gingen spürbar zurück.

Wie wichtig die Videoüberwachung im öffentlichen Nahverkehr sei, zeige ein Beispiel aus dem Februar dieses Jahres: An der U-Bahn-Station Kreillerstraße schlugen drei junge Männer einen 40-jährigen Münchner bewusstlos und traten dann auf den Kopf ihres wehrlosen Opfers ein. Die Täter "konnten nur aufgrund der Videoaufzeichnungen identifiziert werden", so Herrmann.

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Ohne konkrete Zahlen zu nennen, kündigte Innenminister Herrmann an, nicht nur die Überwachung von Plätzen durch die Polizei zu forcieren. Auch die Installation privater Anlagen in öffentlich zugänglichen Gebäuden wie Einkaufszentren oder Konzerthallen weckt nun das Interesse des Ministeriums. Die Polizei werde auf die Betreiber zugehen, sie "kostenlos beraten" und "sensibilisieren" für die rechtlichen Möglichkeiten zur Videoüberwachung. Zugleich werde man die Zugriffsmöglichkeiten der Polizei auf diese Bilder verbessern, so Herrmann.

Um Straftaten künftig noch effizienter aufklären zu können, arbeiten die Sicherheitsbehörden außerdem an einer immer ausgefeilteren Videotechnik. Zur Fahndung ausgeschriebene Personen oder "auffällige Verhaltensweisen wie etwa das Abstellen von Koffern" könnten inzwischen automatisch erkannt werden. Das Landeskriminalamt arbeite auch daran, die biometrische Gesichtserkennung bei polizeilichen Ermittlungen auszuweiten, sagte Herrmann. Dadurch können Computerprogramme Tatverdächtige auf Bildern von Handys, Überwachungskameras oder sozialen Netzwerken identifizieren.

Die Opposition im Landtag unterstützt grundsätzlich den Ausbau der Videoüberwachung, warnt aber auch vor einer Verwässerung des Datenschutzes. "Das jetzt vorgestellte Maßnahmenbündel hat eine Eingriffstiefe in Persönlichkeitsrechte der Bürger, die sehr bedenklich ist", warnt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Schulze. Eva Gottstein von den Freien Wählern wirft der CSU eine "Wahlkampf-Offensive" vor, "da das Thema Innere Sicherheit gerade Konjunktur hat". Und für den Fraktionschef der SPD, Markus Rinderspacher, sind Herrmanns Pläne nur eine "folgenlose Ankündigungspolitik".

© SZ vom 23.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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