Kriminalität:Falsche Kommissare erbeuten vier Millionen Euro von Senioren

  • Nach Enkeltrickbetrügerbande versuchen es Betrüger in München mit einem neuen Trick: Sie geben sich als Polizisten, Richter oder Staatsanwälte aus.
  • 39 Mal kamen falsche Polizisten an ihr Ziel, sprich: an das Geld älterer Münchner. Die Beute lag bei mehr als vier Millionen Euro.
  • Doch die echte Polizei schlägt zurück: Derzeit sitzen 26 falsche Polizisten in München in Untersuchungshaft.

Von Martin Bernstein

Viel hätte nicht gefehlt und 30 000 Euro einer 74 Jahre alten Münchnerin wäre auf Nimmerwiedersehen in den Taschen von Trickdieben in der Türkei verschwunden. Geld, das die Frau und ihr fünf Jahre älterer Ehemann aus Haidhausen gar nicht hatten. Ein angeblicher Staatsanwalt "Neumann" hatte die Rentnerin am Telefon derart verunsichert, dass sie sogar einen Kredit aufnahm. Das Geld werde als Kaution gebraucht, um ein angeblich gegen den Ehemann laufendes Verfahren in der Türkei einzustellen, hatten der falsche Staatsanwalt sowie seine Kollegen "Büchner", "Pfeifer" und "Frank" behauptet.

Die echte Münchner Staatsanwaltschaft kennt solche Fälle zuhauf. Nachdem durch grenzüberschreitende deutsch-polnische Zusammenarbeit eine Enkeltrickbetrügerbande geschnappt werden konnte, ist diese Masche in München Geschichte - nur um vom nächsten Trick abgelöst zu werden, der Nummer mit den falschen Polizeibeamten, die sich auch als Richter oder eben Staatsanwälte ausgeben. Die Masche ist für die Ermittler wesentlich schwerer zu verfolgen. Denn die Anrufer operieren in der Regel von der Türkei aus. Weil die Zusammenarbeit zwischen deutschen und türkischen Behörden in den vergangenen Jahren praktisch zum Erliegen gekommen ist, hat diese Sparte der organisierten Kriminalität leichtes Spiel.

So sicher fühlen sich die Täter deshalb inzwischen, dass die 74-jährige Haidhauserin ihre 30 000 Euro nicht, wie in derartigen Betrugsfällen sonst üblich, über einen Gelddienstleister verschicken, sondern einfach auf ein Bankkonto in der Türkei überweisen sollte. Bei der Staatsanwaltschaft München I zeigt man sich indes "vorsichtig optimistisch", wieder besseren Kontakt zu den türkischen Kollegen zu bekommen. Nächste Woche sollen Münchner Beamte über den Bosporus reisen. Möglicher Hintergrund des Tauwetters: Auch in der Türkei selbst schlagen die Täter inzwischen zu.

Der Schaden, den sie in München anrichten, ist riesig. Von 60 Versuchen erfuhr die Polizei allein am Montag. Im vergangenen Jahr registrierte die Staatsanwaltschaft mehr als 3000 Fälle. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein. 39 Mal kamen falsche Polizisten an ihr Ziel, sprich: an das Geld älterer Münchner. Die Beute lag bei mehr als vier Millionen Euro. Durchschnittlich verlor ein Opfer also mehr als 100 000 Euro. Es gibt aber auch Fälle wie den, bei dem ein falscher Polizist Krügerrand-Goldmünzen im Wert von einer halben Million Euro einkassierte.

Nicht immer kommen die Täter mit ihrer Masche durch. Laut Staatsanwaltschaft sitzen derzeit 26 falsche Polizisten in München in Untersuchungshaft. Ein bereits verurteilter Täter muss für dreieinhalb Jahre hinter Gitter, ein anderer wurde am Mittwoch zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Wie die Münchner Ermittler ihren falschen "Kollegen" auf die Schliche kommen, verraten sie nicht. Es wird nicht immer so laufen wie in einem Fall, den leitender Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst am Donnerstag schilderte. Zufällig habe man einen gefälschten Goldbarren in der Asservatenkammer gehabt. Den habe man einem Abholer unterjubeln können. Die Spur des Mannes und seiner vermeintlichen Beute habe man dann bis Berlin verfolgt, wo schließlich bei dem Täter und drei seiner Komplizen die Handschellen klickten.

Im Fall des Haidhauser Ehepaars war kein Täter greifbar. Aber das Geld konnte immerhin gerettet werden. Als der 74-Jährigen die Überweisung auf ein Treuhandkonto in der Türkei im Nachhinein doch komisch vorkam, ging sie zur Polizei. Die kontaktierte sofort die beteiligten Banken. Die Überweisung konnte so noch gestoppt werden.

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