Süddeutsche Zeitung

Krimi:Mord am Immobilien-Schani

Tanja Webers liefert in ihrem Roman "Betongold" eine Münchner Milieustudie.

Von Rosanna Großmann, München

Der Moni, der Schani und der Smokey sind schon seit der Jugend Freunde - mittlerweile betreibt einer eine Kneipe in Giesing, der andere ist Immobilienhai geworden und der dritte ist Mordermittler im Ruhestand, geplagt von einem Morbus Bechterew, den er versöhnlich "den Russen auf seinem Rücken" nennt. Die Hauptfiguren in Tanja Webers Krimi "Betongold" sind tief im Münchner Stadtteil Giesing verwurzelt, und auch in einem Bairisch, das die Leserin sofort mitten hineinzieht ins Geschehen.

Eines Tages wird der Immobilien-Schani tot aufgefunden, mit Platzwunde liegt er in seiner Baugrube, und der Smokey kann das Thema nicht einfach ruhen lassen, sondern macht sich auf die Suche nach einem Täter. Seine Ermittlungen ziehen ihn hinein ins schmutzige Immobilien-Investment-Milieu, so unsympathisch wie thematisch naheliegend in der Stadt auf dem goldenen Boden. Dass die Handlung in München spielt, daran lässt Tanja Weber keinen Zweifel: Bauwerke und Viertel, die selbst Zugezogene direkt erkennen, sorgen für die angemessene Kulisse.

Und dann die Sprache: kein heftiger bairischer Dialekt, aber reichlich Artikel vor den Namen, jede Menge "ja mei's", dazu gescheite und depperte Buben, ein bissl Schmarrn und ein geradezu niedliches sich auf der Autobahn-Darennen. Der Protagonist Smokey, der wegen seiner Cannabis-Schmerztherapie so heißt, denkt mit düsterem, trockenem Humor in prägnant kurzen Sätzen und verarbeitet nicht nur den Verlust des Freundes, sondern gleich die eigene Vergangenheit. Dass dabei Corona mit dem Maskentragen und dem Abstandhalten wie später hinzugefügte Randnotizen erscheinen - geschenkt.

Der Roman verspricht, die dunkle Seite der Großstadt zu zeigen, doch eigentlich ist der Smokey einer, der seine Stadt wirklich liebt. Heruntergedrückt haben ihn seine Arbeit und die viele Beschäftigung mit den Toten; er kann nicht mehr wirklich hinaufschauen wegen des Russen, eine auch für Depressionen typische Kopfhaltung. So kennt er besonders den Boden der Stadt gut. Tiefe Trauer empfindet man mit dem ehemaligen Kommissar, wenn er die Tiefpunkte seines Lebens Revue passieren lässt; Weber versteht sich gut darin, schmerzhafte Gefühle auszudrücken, ohne den schmalen Grat zum Kitsch zu überschreiten. Doch auch die positiven, die schönen Zeiten gibt es - und sie werden in der Zukunft wiederkehren. Auf der Suche nach einem Gefühl als Mordmotiv kommt nicht nur der Smokey der Wahrheit ziemlich nahe, auch als Leserin ahnt man, was da passiert sein könnte. Bis dahin liest man eine ehrliche, urmünchnerische Milieustudie.

Tanja Weber: "Betongold", Verlag Hoffmann und Campe, 240 Seiten, 20 Euro

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