Kriegsverbrecherprozess:"Nie von nationalsozialistischer Gesinnung"

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Zum Auftakt des NS-Prozesses vor dem Schwurgericht München bestreitet Ladislav Niznansky alle Vorwürfe. Der 86-Jährige ist wegen Mordes in 164 Fällen angeklagt.

Ladislav Niznansky weise "auf das Entschiedenste" die Anschuldigung zurück, für den Tod von insgesamt 164 Menschen Anfang 1945 verantwortlich zu sein, erklärte sein Anwalt Steffen Ufer am ersten Verhandlungstag. Ufer nannte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft "unsachlich" und warf den Ermittlern vor, seinen Mandanten "willkürlich" verhaftet zu haben. Niznansky solle als "Sündenbock" für Taten gerade stehen, für die er nicht verantwortlich sei.

Ladislav Niznansky am ersten Prozesstag in München. (Foto: Foto: AP)

Der seit Januar wegen der Vorwürfe in Untersuchungshaft sitzende Niznansky machte körperlich trotz seines Alters einen guten Eindruck. Allerdings fiel es ihm wegen seiner Schwerhörigkeit schwer, den Richter zu verstehen.

Zu Beginn der Verhandlung sagte der frühere Journalist umfassend zu seinem Werdegang aus. Niznansky arbeitete bis zu seiner Pensionierung 1983 beim US-Radiosender Radio Free Europe.

Ihm droht lebenslange Haft

Dabei betonte er, dass er nie von nationalsozialistischer Gesinnung gewesen sei. Niznansky war nach eigener Aussage zunächst 1944 am Volksaufstand in der Slowakei beteiligt und wurde festgenommen.

Er sei vor die Wahl gestellt worden, sich entweder an der von den deutschen eingesetzten Spezialeinheit zur Partisanenbekämpfung "Edelweiß" zu beteiligen oder in ein KZ-ähnliches Arbeitslager gebracht zu werden. Daraufhin habe er sich der Gruppe "Edelweiß" angeschlossen.

Die Staatsanwaltschaft wirft Niznansky vor, als Hauptmann in der Einheit "Edelweiß" an drei Massakern verantwortlich beteiligt gewesen zu sein. Er ist deshalb wegen Mordes in 20 Fällen, gemeinschaftlichen Mordes in 126 Fällen und Mord durch andere in 18 Fällen angeklagt. Bei einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft.

Als die Staatsanwaltschaft Namen und Geburtsdaten aller Opfer einzeln vorlas, herrschte betroffene Stille im Schwurgerichtssaal. Das jüngste Opfer war die nur drei Monate alte Jozefina, das älteste Opfer war ein 79 Jahre alter Mann.

Am 21. Januar 1945 verübte die Einheit laut Staatsanwaltschaft in den Dörfern Ostry Grun und Klak an der Bevölkerung Massaker. Niznansky habe seinen Leuten befohlen, "dass keine lebendige Seele entkommen dürfe", heißt es in der Anklage.

In Ostry Grun seien 62 Menschen getötet worden, davon soll Niznansky 20 selbst getötet haben. In Klak seien am selben Tag 84 Menschen getötet worden. In beiden Fällen waren es vor allem Frauen und Kinder. Nur wenige Tage später, am 7. Februar, habe Niznansky dann in Ksina ein Massaker an 18 unbewaffneten Juden angeordnet und überwacht.

Nicht in den Dörfern, sondern in den Hügeln

Der Angeklagte bestritt nicht, der Einheit "Edelweiß" angehört zu haben. Diese habe sich an den in der Anklage genannten Tagen aber nicht in den Dörfern, sondern in den umliegenden Hügeln aufgehalten. In den Ortschaften seien SS-Einheiten gewesen.

Sein Anwalt Ufer sagte am Rande des Prozesses, Niznansky habe überhaupt kein Motiv für die Taten gehabt. Er sei kein Nazi gewesen und habe in der slowakischen Bevölkerung seine eigenen Landsleute gesehen.

Wegen der Massaker war Niznansky kurz nach Kriegsende 1946 von einem Volksgericht freigesprochen worden. 1962 wurde er in der ehemaligen Tschechoslowakei dann aber in Abwesenheit zum Tode verurteilt. 1965 in München eingeleitete Ermittlungen gegen ihn mussten eingestellt werden, da im Kalten Krieg die nötigen Beweismittel nicht überstellt wurden.

Erst im Jahr 2001 kam das Verfahren durch eine Anfrage slowakischer Behörden erneut in Gang. Niznansky lebte unbescholten mit seiner Frau in einer Neuperlacher Wohnung, ehe er am 16. Januar 2004 festgenommen wurde.

Der Prozess wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt.

© sueddeutsche.de/dpa/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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