Ein Militärtribunal in La Spezia verurteilte Scheungraber im September 2006 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft. Den italienischen Richtern genügte die Funktion Scheungrabers als Kompanieführer, um ihn schuldig zu sprechen. Ob die Münchner Richter dieser Argumentation folgen, scheint indes fraglich.
Selbst wenn sie die Verstrickung des Angeklagten in das Morden von Falzano für erwiesen hielten, blieben viele Rechtsfragen zu klären. Das deutsche Strafrecht verlangt bei einer Verurteilung wegen Mordes eine Gesamtwürdigung der äußeren und inneren Handlungsantriebe eines Täters.
Womöglich 45 Jahre zu spät
Die Staatsanwaltschaft wirft Scheungraber Grausamkeit (Sprengung) und niedrige Beweggründe (Rachsucht) vor. Doch dies zu beweisen, dürfte mangels exakt belegbarer Beteiligung des Angeklagten an dem Geschehen schwierig werden. Ohne gesicherte Mordmerkmale bliebe theoretisch eine Verurteilung wegen Totschlags. Dieser aber wäre nach 20 Jahren, also 1964 verjährt. Der Prozess käme mithin 45 Jahre zu spät.
Der Weiler Falzano existiert heute nicht mehr. An den Ort und die Opfer erinnert nur noch ein Gedenkstein. Der Bauernjunge Gino Massetti, der nach dem Krieg Carabiniere wurde, lebt heute in der Kleinstadt Cortona. Das Minimella-Tal mit seinen Erinnerungen meidet er. Dass Josef Scheungraber ins Gefängnis kommt, darauf legt er keinen Wert: "Ich hege keinen Hass, ich habe längst verziehen."
Auch die Angehörigen der Toten von Falzano wollen nach 65 Jahren keine Rache mehr. Sie wollen am Ende ihres Lebens nur noch die Wahrheit erfahren, wollen ihren Vätern, Söhnen und Brüdern ihre Würde zurückgeben. Mit der Vertretung ihrer Interessen in Deutschland haben sie die Anwältin Gabriele Heinecke beauftragt. Am ersten Prozesstag appellierte sie an Scheungraber: "Übernehmen Sie endlich Verantwortung." Eine Reaktion blieb aus.
Am kommenden Dienstag will das Gericht nach fast elf Monaten Verhandlung sein Urteil verkünden. Angehörige der Toten und der Bürgermeister von Cortona wollen dazu aus Italien anreisen.