Kriegsverbrecher-Prozess:Angeklagter bestreitet Verbrechen

Der ehemalige Wehrmachtsoffizier Josef S. hat im Münchner Kriegsverbrecherprozess die Verantwortung für das Massaker in der Toskana im Juni 1944 von sich gewiesen.

Ein früherer Leutnant der Wehrmacht hat im Münchner Kriegsverbrecherprozess eine Verantwortung für ein Massaker in der Toskana im Juni 1944 von sich gewiesen. Der Angeklagte bestreite, als Kompanieführer des Gebirgspionierbataillons 818 einen Gegenschlag zur Vergeltung eines Partisanenüberfalls geplant zu haben, sagte Verteidiger Christian Stünkel am Montag vor dem Schwurgericht München I.

Kriegsverbrecher-Prozess: Ein Gedenkstein erinnert in Falzano an die Opfer des Massakers in der Casa Cannicci.

Ein Gedenkstein erinnert in Falzano an die Opfer des Massakers in der Casa Cannicci.

(Foto: Foto: Müller-Meiningen)

Der 90 Jahre alte Rentner wird des Mordes in 14 Fällen beschuldigt. Er soll die Erschießung von vier Zivilisten und die Sprengung eines Hauses befohlen haben, in dem zehn Menschen ums Leben kamen. Eine solche Tat "wäre mit Sicherheit durch die Gerichtsbarkeit der Deutschen Wehrmacht verfolgt und geahndet worden", sagte der Anwalt unter dem Hohngelächter von Zuhörern im voll besetzten Saal.

Vor Verhandlungsbeginn hatten Mitglieder des Arbeitskreises "Angreifbare Traditionspflege" auf Flugblättern Anklage auch gegen alle anderen in Italien wegen Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilten deutschen Ex-Soldaten gefordert. Der Angeklagte ist vor zwei Jahren in Abwesenheit von einem italienischen Gericht zu lebenslangem Freiheitsentzug verurteilt worden.

Erst durch das damalige Rechtshilfeersuchen sei die Münchner Staatsanwaltschaft 2004 auf den Fall aufmerksam geworden, berichtete Anklagevertreter Hans-Joachim Lutz am Rande der Verhandlung. Anfang dieses Jahres wurde der ehemalige Kompanieführer angeklagt. Der Arbeitskreis will den Prozess ständig beobachten. Auch eine Reihe von Neonazis interessiert sich für das Verfahren.

Nur ein Halbwüchsiger überlebte

Laut Anklage waren am 26. Juni 1944 zwei Pioniere des Bataillons 818 in einem Partisanenhinterhalt ums Leben gekommen. Tags darauf soll der Vergeltungsschlag gegen Mitglieder der Zivilbevölkerung gefallen sein. In dem gesprengten Haus überlebte nur ein Halbwüchsiger. Der heute 80-Jährige soll am 7. Oktober voraussichtlich mittels Videoschaltung gehört werden.

Der Angeklagte bestreitet der Erklärung Stünkels zufolge jede Kenntnis von dem "Vorfall". Er sei gar nicht am Tatort gewesen, sondern habe im fraglichen Zeitraum die Instandsetzung einer gesprengten Brücke geleitet. Dieser Befehl habe "oberste Priorität" gehabt, seine Missachtung wäre "streng bestraft worden". Die Staatsanwaltschaft könne keinen Augen- oder Ohrenzeugen für die Anwesenheit des Angeklagten bei dem gesprengten Haus und für seinen Befehl zu dem Massaker benennen, rügte Stünkel. Im Übrigen bezweifle er die Verhandlungsfähigkeit des Greises und behalte sich einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens vor.

Mitverteidiger Rainer Thesen, ein Oberst der Reserve, hat die Ladung seines früheren Vorgesetzten Oberst a.D. Klaus Hammel als militärhistorischer Gutachter beantragt. Ein Sachverständiger in diesem Prozess müsse "die berufliche Qualifikation eines Generalstabsoffiziers" haben. Hammel habe "kriegsgeschichtliche Forschungsarbeiten" insbesondere über den Kriegsschauplatz Italien veröffentlicht. Der Sachverständige werde darlegen, dass sich zur Tatzeit am Tatort Truppen des gestürzten Diktators Benito Mussolini befunden hätten, die möglicherweise für das Massaker verantwortlich seien. Der Prozess wird am 29. September fortgesetzt.

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