SZ-Diskussionsreihe „München redet“„Wir sind nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden“

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SZ-Politikressortleiter Stefan Kornelius diskutiert auf der Bühne des Residenztheaters mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Nicole Deitelhoff die Frage: "Wie beendet man Krieg?"
SZ-Politikressortleiter Stefan Kornelius diskutiert auf der Bühne des Residenztheaters mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Nicole Deitelhoff die Frage: "Wie beendet man Krieg?" (Foto: Johannes Simon)

Wie beendet man Krieg? Auf der Bühne des Münchner Residenztheaters diskutieren FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff im Rahmen der SZ-Reihe „München redet“ Wege zum Frieden.

Von Franka Bals

Den Tag für diese Veranstaltung hätte man besser nicht wählen können, stellt SZ-Politikressortleiter Stefan Kornelius zu Beginn des Abends fest: „Während wir hier sitzen, werden in Moskau Gespräche geführt.“ Im Saal des Münchner Residenztheaters moderiert er die Diskussion mit EU-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff. Die beiden Expertinnen aus Politik und Wissenschaft suchen einen Abend lang Antworten auf die großen Fragen: „Wie beendet man Krieg? Und was muss Europa jetzt tun?“

Zu Beginn geht es weder um den russischen noch den ukrainischen Präsidenten, sondern um Donald Trump. Auch wenn die beiden Expertinnen an diesem Abend kein gutes Haar am US-Präsidenten lassen, müsse man ihm eines lassen: Er habe Bewegung in den Konflikt gebracht. Da sind sich Wissenschaftlerin Deitelhoff und Strack-Zimmermann einig – wie so oft an diesem Abend. „Nur, wie immer bei Trump-Deals: Die Bewegung ist da, die Richtung nicht“, ergänzt Deitelhoff.

Die Professorin Nicole Deitelhoff forscht unter anderem zu Krisen, Demokratie und Zusammenhalt.
Die Professorin Nicole Deitelhoff forscht unter anderem zu Krisen, Demokratie und Zusammenhalt. (Foto: Johannes Simon)
Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung und der FDP-Delegation im Europäischen Parlament.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung und der FDP-Delegation im Europäischen Parlament. (Foto: Johannes Simon)

Auf die Frage, wie man sich Gespräche zwischen Trump und Putin vorstellen könne, hat die Konfliktforscherin eine sehr einprägsame Antwort: „Der eine ist Marke Bulldogge, der andere eher ein eleganter Windhund.“ Putin sei ein subtiler, geschickter Verhandler. Und Trump? Der dagegen sei kein besonders erfahrener und guter Verhandler. Er habe „überhaupt keine Impulskontrolle. Die Torte auf dem Tisch muss direkt verspeist werden“, so die Konfliktforscherin.

Diesem Bild stimmt Strack-Zimmermann zu, durch den Theater-Saal geht ein amüsiertes Raunen. Dann wird es schnell wieder ernst: Für die EU-Politikerin steht fest, „dass Trump Putin als Persönlichkeit zutiefst fürchtet und bewundert“ – genau das mache die Situation so gefährlich. Russlands Präsident Putin warte darauf, dass die Spannkraft, mit der Europa an der Seite der Ukraine steht, nachlasse. Dass der Krieg nun bereits drei Jahre anhält, würde Putin überraschen. Von seinen Zielen abtreten werde er Strack-Zimmermanns Einschätzung zufolge nicht: „Er hat den längeren Atem, weil ein Menschenleben in Russland keine Bedeutung hat.“

„Europa wartet darauf, dass Deutschland Verantwortung übernimmt“

Weil diese Strategie in keinem Fall aufgehen dürfe, mahnt Strack-Zimmermann: „Europa wartet darauf, dass Deutschland Verantwortung übernimmt.“ Sie hoffe, dass sich der potenzielle Bundeskanzler Friedrich Merz der Rolle bewusst sei, die er nun einnehmen müsse. „Wir sind nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden“, beschreibt die FDP-Politikerin Europas Lage.

Nicole Deitelhoff, die 2023 eine Spitzenprofessur an der Goethe-Universität Frankfurt erhielt, äußert sich positiv überrascht von Merz ersten Schritten in Richtung Verantwortung in Europa. Dennoch müsse klar sein: Wir brauchen ein „Deutschland, das im Team spielt“. Nur so könne gewährleistet werden, dass Europa die eigene Verteidigung sicherstellen und verhindern könne, dass Putin seine Ziele in der Ukraine durchsetze.

Für die Lösung von Konflikten müsse man „manchmal nach dem Nächstbesten suchen“ – das sei nicht immer Gerechtigkeit, sagt Deitelhoff. Auch für Strack-Zimmermann steht fest: Die Zeit, dass Deutschland nach „lupenreinen, demokratischen Freunden sucht“, sei vorbei. „Wir müssen nun flexibel genug sein, uns auch auf neue Partnerschaften einzulassen, jetzt ist ein komplett neues Umdenken gefordert.“ Laut Deitelhoff blicke man heute auf eine polarisierte Weltordnung, „in der die Staaten auseinander treiben“. Das sei eine anstrengendere Welt. Aber eine Welt, in der man navigieren könne.

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