Kreisbehörde:Schönes Streitobjekt

Das preisgekrönte Landratsamt feiert heuer seinen 30. Geburtstag. Viel früher begann aber die Diskussion über Standort und Architektur.

Von Sabine Bader und Wolfgang Prochaska, Starnberg

Karl Roth (CSU) ist als Landrat zwar nicht immer zu beneiden, aber wenn es um den Ausblick aus seinem Dienstzimmer geht, dann wird man neidisch. Den nahen Seeblick möchte man auch gerne haben. Vor genau 30 Jahren ist der asiatisch anmutende Bau an der Strandbadstraße eingeweiht worden. Die Diskussion begann aber schon in den 1970er-Jahren, also vor gut 40 Jahren. Wenn es damals dumm gelaufen wäre, stünde an der Stelle der Kreisbehörde jetzt ein Eislaufstadion. So lautete ein ernst gemeinter Alternativ-Vorschlag der damaligen CSU.

Die Zeiten haben sich zwar geändert, aber die Diskussion um die Kreisbehörde ist weitergegangen. In den vergangenen beiden Jahren ging es vor allem um die Erweiterung des Gebäudes und um seine Kosten von knapp 15 Millionen Euro. Der Starnberger Stadtrat mauerte, forderte auf einmal mehr Parkplätze, nun scheint man sich einigen zu können, sodass spätestens 2018 die Bagger anrollen können. Dann wird es für die inzwischen mehr als 500 Mitarbeiter laut werden. Der Anbau mit seinen 50 Büros erhält die gleiche Architektur wie das Hauptgebäude und fügt sich nahtlos in das gesamte Ensemble ein. Dieses ist preisgekrönt und stammt von den beiden Architekten Fritz Auer und Carlo Weber. Vorbild war allen Ernstes der Katsura-Palast im japanischen Kyoto. Kein Wunder, dass bei Fertigstellung der neuen Kreisbehörde die Besucher von "Starnbergs Chinesenviertel" oder wegen der Kanäle von "Klein-Venedig" sprechen.

Landratsamt mit Containern

So luftig und schön wie das preisgekrönte Landratsamt Starnberg soll auch der Anbau werden, auch wenn der 14,6 Millionen Euro kostet.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ebenso ungewöhnlich wie das Gebäude selbst ist auch seine Entstehungsgeschichte: Denn während es sich der damalige Landrat Rudolf Widmann (FDP) durchaus reizvoll vorstellen kann, in einer Art Kaiserpalast zu residieren, bläst die Junge Union (JU), vor allem Otto Gaßner und Heiner Janik, zum Sturm gegen das ehrgeizige Projekt. Und die jungen Wilden machen eine recht extravagante Rechnung auf. Sie vergleichen den geplanten Amtsbau mit dem damaligen Bundeskanzleramt: Für die 156 Beschäftigten in Starnberg sollen 13 000 Quadratmeter zur Verfügung stehen, kritisieren sie, für die 450 Mitarbeiter in Bonn sind es nur 7852 Quadratmeter. Unterschriften werden gesammelt. Als das nichts hilft, will die JU das Projekt gar rechtlich zu Fall bringen. Doch die Verwaltungsrichter weisen die Klage als unzulässig ab. Dass dies im Nachhinein eine gute Entscheidung für Starnberg war, räumt heute auch Altlandrat Heinrich Frey (CSU) ein, der damals als Kreisrat einen anderen Standort wollte.

Apropos streiten. Gestritten wird in jenen Tagen so ziemlich um alles, was mit dem Landratsamtsneubau zusammenhängt: um die Architektur, die Größe, die Höhe der Kosten (umgerechnet geplante 21,4 Millionen Euro) und allen voran um das Grundstück selbst. Denn auf dem Gelände am Stadtrand steht nicht nur das Sägewerk Stadler, sondern auch der Fußballplatz der Freien Turnerschaft (FT 09). Und die Sportler wollen ihren Platz nicht kampflos räumen. Es dauert also eine kleine Weile, bis die Grundstücksfrage geklärt ist.

15 Millionen

Die Erweiterung des Landratsamts wird ganz schön ins Geld gehen. Ursprünglich waren 6,5 Millionen Euro avisiert. Das war noch unter der Ägide der damaligen Kreiskämmerin Eva John. Der neue Kämmerer Stefan Pilgram allerdings hat die wenig erfreuliche Aufgabe, den Kreisräten die tatsächliche Summe beizubringen. Als er die Kosten nennt, ist der Schock groß, zumal der Landkreis noch eine Fachoberschule und ein neues Gymnasium bauen will. Die Bürgermeister warnen den Landrat.

Zu guter Letzt entbrennt im Kreistag noch eine Debatte über die Sinnhaftigkeit der Schutzräume im Keller. Der Gilchinger CSU-Kreisrat Martin Wallner, so die Überlieferung, soll dabei den Standpunkt vertreten haben: Da müsse man nur eine Handgranate reinwerfen, und alles stehe unter Wasser. Darauf Widmann: "Guichinger kemman do sowieso ned nei und die Starnberga kennan schwimma." Die Schutzräume werden also gebaut. Die Fraktionszimmer hingegen nicht. Sie fallen dem Gefeilsche um die Kosten zum Opfer. Letztlich wird das Gebäude mit 19,4 Millionen Euro ohnehin um zwei Millionen billiger als vom Kreistag bewilligt.

Dass sich Widmann während all dieser Zeit so vehement für den Behördenneubau auf der grünen Weise einsetzt, hat eher pragmatische als gestalterische Gründe. Bisher sind seine Mitarbeiter quer über das ganze Stadtgebiet verteilt - in insgesamt zehn verschiedenen Häusern. Denn das Hauptgebäude am Vogelanger (heute das Starnberger Rathaus) war längst zu klein geworden. Das nervt und erschwert die innerbetriebliche Kommunikation. Das Kreisbauamt beispielsweise ist in der Villa in der Josef-Fischhaber-Straße untergebracht, in der heute die Montessorischule ist, die Kämmerei sitzt in der Wittelsbacherstraße - heute Kino Breitwand. Am besten haben es noch die Wasserrechtler erwischt: Sie haben ihre Schreibtische in der Alten Oberschule am Bahnhofsplatz mit Blick auf den See. Alles in allem ein unhaltbarer Zustand, befindet Widmann. Und als alter Hase in der Politik ist er sich zudem sicher: Wenn das neue Amt erst steht, dann hört auch der Protest auf.

Und so kommt es: Schon bei der Einweihung werden die beiden Architekten mit Lob überschüttet: Der Bau sei das neue "Wahrzeichen für die Stadt", sagt Starnbergs damaliger Bürgermeister Heribert Thallmair. Und in der Folge werden noch weitere Superlative gefunden: Es sei ein "Kunstwerk", heißt es, die "Anmut am Seeufer". Als Auer und Weber 1989 noch mit dem Deutschen Architektenpreis ausgezeichnet werden, wollen selbst die hartnäckigsten Kritiker am liebsten vergessen, je dagegen gewesen zu sein. Wahrscheinlich wird es am Ende mit dem neuen Anbau ähnlich sein.

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