Süddeutsche Zeitung

Kreativ in der Krise:Frühling auf Rädern

Die Gärtnerei Berchtenbreiter musste wegen der Corona-Krise ihr Geschäft schließen. Ihre Ranunkeln und Primeln liefert sie den Münchnern nun bis zur Haustür

Von Kathrin Aldenhoff

Für die Gärtnereien und die Blumenläden hätte es keinen schlechteren Zeitpunkt für Ausgangsbeschränkungen und erzwungene Geschäftsschließungen geben können. Ausgerechnet im Frühjahr infiziert das Coronavirus so viele Menschen, dass die Regierung zu diesen strengen Maßnahmen greift. "März, April, Mai - für uns Gärtner ist das die Hauptverkaufszeit", sagt Alexandra Berchtenbreiter. "Da haben die Menschen Lust, was im Garten und auf dem Balkon zu machen. Das tut weh, dass dieses Geschäft wegbricht."

Die 31-Jährige und ihre Familie - die Eltern führen die Gärtnerei - haben sich nun etwas ausgedacht, wie sie es schaffen könnten, dass zumindest nicht das ganze Geschäft wegbricht. Dass sie nicht alle Pflanzen und Frühlingsblumen umsonst gesät, gegossen und gepflegt haben. Schon seit dem Winter arbeitet der Bruder von Alexandra Berchtenbreiter an einem Onlineshop für die Gärtnerei in Giesing. In Coronazeiten hat er ihn nun schneller fertig gestellt als geplant. Für Feinheiten ist gerade nicht die Zeit, die sind später dran. Alexandra Berchtenbreiters Schwester fiel der Name Blumentaxi ein - und so bewerben sie seit ein paar Tagen zum Beispiel auf Facebook ihr Angebot, den Kunden Frühlingsblumen für das Beet, Erde, Blumensträuße und Orchideen im Topf nach Hause zu liefern. Kontaktlos, selbstverständlich.

"Es gibt uns jeden Tag Aufschwung, wenn wir sehen, dass Bestellungen reinkommen", sagt Alexandra Berchtenbreiter. "Das zeigt uns, dass sich die Menschen trotz allem mit Blumen beschäftigen und an uns denken." Ihre erste Lieferung führte sie bis nach Unterschleißheim, nördlich von München, 30 Kilometer von der Gärtnerei entfernt und eigentlich nicht ihr angestammtes Gebiet. "Die Kundin freute sich so sehr über die Blumen, dass sie uns über Facebook ein ganz liebes Feedback gegeben hat", erzählt die Floristin und Gärtnerin. "Das ist Balsam für die Seele."

Im Moment kommen in der Gärtnerei jeden Tag ein bis zwei Bestellungen mehr an als noch am Vortag. Derzeit ist das Blumentaxi - der bunte Lieferbus der Gärtnerei - vormittags und nachmittags zwei, drei Mal unterwegs, erzählt sie. "Wir freuen uns über jede Bestellung, und unsere Mitarbeiter auch. Das macht mehr Freude als den Laden zu putzen." Die Mitarbeiter im Blumenladen arbeiten im Moment in Mini-Besetzung, sagt Alexandra Berchtenbreiter. Sie bauen Überstunden ab. Die Mitarbeiter in der Gärtnerei aber arbeiten auch jetzt weiter. Sie müssen sich ja um die Pflanzen kümmern, die sie für den Sommer angebaut haben.

Die meisten Kunden bestellen die Frühlingsmixkasten - Ranunkeln, Primeln, Vergissmeinnicht und Zwiebelblumen, farblich passend zusammengestellt. Einen Mindestbestellwert haben sie nicht, sagt die Gärtnerin. "Wenn einer nur zehn Liter Erde braucht, dann machen wir ihm die Freude." Die Lieferkosten hätten sie in diesen Zeiten halbiert, sagt sie. Eine Stunde, bevor sie beim Kunden sind, rufen sie an. Sie legen die Blumen dann vor die Tür, klingeln und gehen. "Natürlich freut sich jeder, wenn er mal ein anderes Gesicht sieht", sagt Alexandra Berchtenbreiter. "Aber im Moment ist es besser, sich zurückzuhalten."

Das Blumentaxi, das sei vor allem gut fürs Gemüt, sagt Alexandra Berchtenbreiter. Es halte die Stimmung im Betrieb aufrecht, erinnere die Kunden daran, dass es die Gärtnerei auch in diesen Zeiten gibt und macht ihnen eine Freude. Für den Umsatz? Nun ja. "Wir hoffen natürlich, dass wir den Laden bald wieder aufmachen dürfen. Das Blumentaxi ist für uns eine gute Übergangslösung", sagt Berchtenbreiter. Auch nach Corona soll sie weiter bestehen.

Die Gärtnerei Berchtenbreiter befindet sich an der Schwanseestraße 57. Blumenbestellungen sind möglich über www.berchtenbreiter-shop.de und von Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr und von 14 bis 17 Uhr unter der Telefonnummer 699 68 53 oder per Email an info@berchtenbreiter.de.

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Quelle:
SZ vom 30.03.2020
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