"Hi, du kannst mich Flummi nennen", schlägt Flummi zur Begrüßung vor. Es gibt Spitznamen, die möchte man so schnell wie möglich wieder loswerden, und andere, die behält man ein Leben lang. Flummi zum Beispiel, die eigentlich Fiona Feuerer heißt, hat ihren vor einigen Jahren von einem Fitnesstrainer bekommen, weil sie ungern ruhig sitzen bleibt, ständig herumhüpft in der Umkleidekabine, und weil sie sofort zu tanzen beginnt, sobald irgendwo Musik läuft. Im Augenblick tanzt sie nicht, das wäre wohl unpassend für ein Treffen an der Universität. Sie reicht nur freundlich die Hand. Die Flummi-Assoziation löst sich währenddessen allerdings nicht so wirklich auf. Denn Fiona Feuerer, dunkle, halblange Haare, selbstbewusstes Lächeln, ist gerade mal 1,48 Meter groß. Oder genauer: "Einsachtundvierzig Komma fünf!" Den halben Zentimeter betont sie augenzwinkernd.
Ähnliche Ausmaße nimmt ihr Grinsen an, sobald sie von ihrem Sport erzählt. Die 21-jährige Münchnerin ist Bankdrückerin. In dieser Kraftsportart liegt man mit dem Rücken auf einer Bank, lässt eine Stange mit Gewichten knapp über den Oberkörper sinken und stemmt sie anschließend wieder in die Höhe. Vor einigen Tagen ist sie deutsche Juniorenmeisterin in der Gewichtsklasse bis 63 Kilogramm geworden, sie ist Europameisterin und Inhaberin einiger deutscher Rekorde. Einen davon stellte sie gleich bei ihrem ersten offiziellen Wettkampf auf, 2016 in Burgau. 70 Kilogramm drückte sie bei dem Jugendwettkampf, deutlich mehr als ihr Körpergewicht also, womit sie sich gleich mal die Bestmarke in ihrer Gewichtsklasse holte. Sie war neu dort. Ein kompletter Kaltstart war es allerdings nicht für sie.
Im Kraftraum war sie irgendwann stärker als die meisten Jungs, erzählt sie
Bankdrücken war schon immer ein fester Bestandteil ihres Trainings für eine andere Sportart: Eishockey, ihre größte Leidenschaft. "Wir haben im Kraftraum immer Bankdrücken gemacht, da war ich irgendwann stärker als die meisten Jungs", erzählt sie. Irgendwann habe sie dann mal eine TV-Dokumentation gesehen über ein Mädchen, das Kraftdreikampf machte. Dessen Leistung habe bei 40 oder 50 Kilo gelegen. "Da habe ich mir gedacht: Ja gut, ich drücke 75 Kilo. Lass mal kucken, wie es da aussieht." Also ging sie zu ihrem ersten Wettkampf. Für den deutschen Titel hat sie nun 100 Kilo gedrückt.
Feuerers Grinsen verschwindet ein bisschen, wenn es um das Thema Eishockey geht, denn dort läuft es gerade nicht ganz so reibungslos. Schuld ist der verkorkste Saisonstart, den sie mit den Geretsrieder River Rats in die Frauen-Landesliga hatte. Die ersten beiden Partien hat ihr Team trotz spielerischer Überlegenheit verloren, natürlich zu wenig für eine Mannschaft, die in den vergangenen Jahren dreimal bayerischer Meister geworden ist.
Den Trainingsanzug ihres Vereins trägt sie an der Uni trotzdem. Dieses Outfit unterscheidet sie von den meisten ihrer Kommilitonen, ihren Studienleistungen schadet aber etwas anderes: die Doppelbelastung durch die beiden Sportarten. Aktuell trainiert sie jeden Tag, am Morgen stehen Dehnübungen und Krafttraining auf dem Programm, nach der Uni geht es aufs Eis. "Im Sommer schreibe ich meistens bessere Noten als im Winter", gibt die Lehramtsstudentin zu, die Mundwinkel zurück in fröhlichster Normalform. Mathe und natürlich Sport sind ihre Fächer. Ihr Berufswunsch resultiert allerdings nicht nur aus der Motivation, möglichst viel Zeit für das eigene Training zu haben: "Wir hatten Sportlehrer, die ich überhaupt nicht gut fand, und ich will es einfach besser machen und mehr Spaß am Sport vermitteln", sagt sie.
Das Thema beschäftigt sie. Gerade wenn es um Mädchen und Frauen im Sport geht, redet sie mit so viel Energie, dass jeder Flummi daneben wie ein platter Tennisball wirken würde: "Wir Frauen sind quasi in jeder Sportart unterrepräsentiert. Aber die meisten Mädels müssten halt auch mal mehr Sport ausprobieren. Wenn Frauen dem Frauensport mehr Aufmerksamkeit schenken würden, würde der auch mehr gefördert werden."
Sie selbst geht mit gutem Beispiel voran: "Ich bin sehr sprunghaft, was Sport angeht, außer mit Eishockey. Damit werde ich, glaube ich, nie aufhören." Fiona Feuerer hat unter anderem schon American Football getestet, für das Frauenteam der Munich Rangers spielte sie sogar schon in der Bundesliga. Seit einigen Wochen ist Crossfit Bestandteil ihres Alltags. Dem Bankdrücken wird sie vorerst treu bleiben, zumindest hat sie dort noch ein großes Ziel: einen Juniorenweltrekord. Nur in welcher Gewichtsklasse, das weiß die Münchnerin noch nicht. Spielt allerdings auch keine große Rolle: Die Rekorde liegen alle im Bereich von 120 bis 125 Kilogramm. Ein bisschen muss die 21-Jährige also noch draufpacken. Ihre persönliche Bestleistung beträgt 110 Kilo. Zwei Jahre hat sie dafür noch Zeit, dann fällt sie aus der Altersklasse der Juniorinnen.
Ehe sie zur Hantel greift, biegt sie ihr Kreuz nach oben, als wäre die Wirbelsäule aus Gummi
Allzu viel Konkurrenz hat sie bei der Jagd nach Bestmarken nicht. Nur neun Teilnehmer hatte das weibliche Feld der deutschen Juniorenmeisterschaft - alle Gewichtsklassen zusammengerechnet. Keine konnte mit Feuerer mithalten. Ihre Größe ist hier, ganz im Gegensatz zum Eishockey, ein wichtiger Vorteil. "Ich habe den perfekten Hebel", erklärt sie. Dazu komme "eine relativ gute Beweglichkeit an der Wirbelsäule". Beim Bankdrücken darf man ein Hohlkreuz machen, und wenn Fiona Feuerer auf der Bank Platz nimmt, biegt sie ihr Kreuz ganz beachtlich nach oben durch, ehe sie die Arme breit macht und zur Hantel greift. Beinahe, als wäre zumindest ihre Wirbelsäule tatsächlich aus Gummi. Es sieht so ähnlich aus, als spanne sich da ein elastischer Bogen. Ihre kurze Reichweite hilft ihr dann. "Sehr wenige, außer denen, die international die Rekorde halten, haben so einen kurzen Weg wie ich", weiß sie.
Einen kurzen Weg bevorzugt sie auch zu ihrem bislang größten sportlichen Wettkampf. Im vergangenen Jahr hatte sie auf eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft verzichtet, denn die fand in Tokio statt. Finanzielle Unterstützung von Verbandsseite gibt es nicht. Im kommenden Sommer aber wird die WM im tschechischen Pilsen ausgetragen. Da will Fiona Feuerer antreten, und vielleicht sogar den Weltrekord angreifen.