Kritik:Kraftklub in München: Ein tiefdeutsches Gefühl

Kritik: Der Sänger Felix Kummer der Band Kraftklub beim Konzert am Berliner Olympiastadion Ende September.

Der Sänger Felix Kummer der Band Kraftklub beim Konzert am Berliner Olympiastadion Ende September.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Bei ihrem Konzert im Zenith präsentiert die Band die Songs ihres neuen Albums "Kargo". Mit Wucht - und einer politischen Botschaft.

Von Stefan Sommer

Endlich, das K. Und was für ein K. Ein monströses K, ein leuchtendes K. Es strahlt wie eine Marienerscheinung durch das Zenith. Sechsundsiebzig Minuten, sechsundsiebzig ewige Minuten ließen sie vergehen, bis Kraftklub ihr K, ihr Chiffre mit allem Pathos, aller Egozentrik von der Hallendecke herabfahren. Zu früh wäre plump, zu spät eitel, zu oft tragisch gewesen. Aber trifft man den Moment für so eine große Geste wie die Band beim ersten von zwei Konzerten im Zenith, hat das Wucht. Das K lodert auf zu den ersten Takten von "Karl-Marx-Stadt", der Anti-Hymne auf ihre Heimatstadt. Eine Hassliebe, die sich von ihren Indie-Rock-Anfängen auf dem Debüt "Mit K" bis zu den düstereren Pop-Stücken auf ihrem aktuellen Album "Kargo" durchzieht.

Denn wie kaum eine andere Gitarrenband der Nachwendezeit vertonen Kraftklub ein tiefdeutsches Gefühl, über das sich hierzulande oft ratlose Westdeutsche an Landtagswahlabenden wundern: den "Drift", den sogenannten "Rechtsruck" in den "neuen" Bundesländern. Als es im Spätsommer 2018 in der Chemnitzer Innenstadt dann zu rassistischen Übergriffen kommt, initiieren auch Kraftklub eine Gegendemonstration, das "Wir-sind-mehr-Konzert" am 3. September. Auf "Kargo" verarbeiten sie im Lied "4. September" die Euphorie jener Tage, die Ohnmacht danach, die Mühsal der Realpolitik.

Dass Kraftklub zu den progressiven Stimmen gehören, die dieses Land 2022 braucht, lässt sich auch im Zenith wieder beobachten. Auf die Gefahr hin, die Stimmung in der Halle zu kippen, ein gelungenes Konzert zu ruinieren, kann Sänger Felix Kummer nicht anders, als sich über die aktuelle Debatte um Klimaaktivismus stinksauer zu reden. Er verstehe die jungen Leute, die sich festkleben. Und als der fantastische Entertainer, der er eben ist, holt er mit einer Anekdote dann die zurück, die da vielleicht anders denken. Es gebe kein Recht auf ein Schnitzel jeden Tag, hätte er auf einem Schild bei einer Demonstration gelesen. Was sei denn ein Recht auf Schnitzel? Und hieße das dann, jeden zweiten Tag hätte man das Recht aber schon? Er muss auflachen. Und dann darf auch das Publikum. Aber nur kurz.

Zur SZ-Startseite
Band "Kraftklub"

SZ Plus"Kargo" von Kraftklub
:Heiter trotz Heimat

Wie bleibt man in trüben Zeiten kontemporär und nah am Herzen, ohne allen Spaß zu verlieren? Begegnungen mit der formidablen Band Kraftklub. Anlass: andauernde Liebe und das neue Album.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: