Süddeutsche Zeitung

Kräuter:Willkommen in der bayerischen Provence

Auf den Feldern von Paul Peteanu blüht es blaulila. Er baut in Ismaning aber keineswegs Lavendel an, sondern afrikanisches Basilikum - für die Sterneküche

Von Franz Kotteder, Ismaning

Bayerns Provence ist ein recht übersichtliches Fleckchen Erde. Gerade mal um die 2000 Quadratmeter sind es, draußen in Ismaning, am Rande einer großen Gärtnerei. "Willkommen in der bayerischen Provence", sagt Paul Peteanu gerade mit Fleiß und grinst. Die französische Provence ist bekannt für ihre riesigen Lavendelfelder und deren blaulila Blüten. Eine ziemlich ähnliche Farbe haben auch die Blüten auf seinem kleinen Feld, aber sie stammen nicht von Lavendel, sondern von Basilikum. Moment mal: Blüht Basilikum nicht weiß? "Doch", sagt der 41-jährige Agrarwissenschaftler Peteanu, "aber nicht das afrikanische Basilikum, das wir hier anbauen. Das hat diese charakteristische Farbe. Und einen sehr intensiven, angenehmen Geruch."

So ist es. Das typische Basilikumaroma steigt einem nicht nur in die Nase, man schmeckt es auch deutlich heraus, wenn man eine der Blüten kostet. Es ist eine Spur stärker und herber als bei normalem Basilikum, und man kann sich vorstellen, dass es nicht nur Salaten die richtige Würze geben kann, sondern auch anderen Gerichten. Um beim Vergleich mit Lavendel zu bleiben: Wo dieser halt doch ein bisschen an Prinzessin Lilifee und Omas beste Seife für die Feiertage erinnert, hat man hier ein Kraut mit starkem Eigenleben, das sich für verschiedenste Anwendungen eignet: als Sirup für Cocktails, als Beigabe zu Salaten und Pasta oder Gerichte der Sterneküche wie etwa gebratene Jakobsmuscheln oder auch als Geschmacksträger für Schokolade.

An die 20 verschiedenen Produkte hat Peteanu inzwischen für die Blüten des afrikanischen Basilikums entwickelt und für einige davon in der Münchner Gastroszene, die immer auf der Suche nach neuen, ungewöhnlichen Geschmacksnuancen ist, schnell Abnehmer gefunden. "Das war fast ein Selbstläufer", sagt er, "Feinkostläden und Köche waren von Anfang an sehr interessiert, von Dallmayr bis zum Restaurant Boettner."

Kein Wunder, gerade die gehobene Küche probiert derzeit gerne viel mit Blüten und Kräutern aus und leidet ein bisschen darunter, dass vieles zwar gut aussieht, aber wenig Geschmack mitbringt. Manchmal brachte Peteanu, sozusagen mit dem Bauchladen, getrocknete Blüten vorbei und am nächsten Tag kam gleich der Anruf: "Wann können Sie wie viel liefern?" Inzwischen sind die Blüten sogar in London und Marokko gefragt.

Paul Peteanu hat das Potenzial der Pflanze gleich erkannt, sagt er, als er das afrikanische Basilikum 2011 auf einem Markt irgendwo im Süden entdeckte: "Ich glaube, es war in Italien. Jedenfalls war's so was wie Liebe auf den ersten Blick." So ein Coup de foudre, wie der Franzose sagt, kann schon mal passieren, wenn man Agrarwissenschaften in Weihenstephan studiert. Jedenfalls erkannt er sofort das Potenzial, das in der Pflanze steckte, und besorgte sich Samen und Setzlinge. Dann wurde herumexperimentiert. "Die Nachbarn haben schon ein bisschen komisch geschaut", erzählt er, "die dachten sich wohl schon, was zieht der Irre da für komische Pflanzen, und dann auch noch in dieser Menge?" Die Versuchsreihen machten jedenfalls Mut: Die Pflanze war robust, die Ernte vielversprechend und vielseitig verwertbar, und 2015 fing er an, bei einem befreundeten Gärtner auf einer brachliegenden Fläche Basilikum anzupflanzen.

In gewissem Sinne war das für Peteanu auch die Rückkehr zu seinen Wurzeln. Aufgewachsen im rumänischen Klausenburg, der zweitgrößten Stadt des Landes, war er in seiner Jugend viel mit der Bergwacht in den Karpaten unterwegs. Nach dem Abitur begann er 1993, Agrotourismus zu studieren. Das ließ sich prinzipiell gut an, aber dann kam die Liebe auf den ersten Blick dazwischen, er lernte Cristina kennen, "und wegen der gnädigen Frau ging ich dann nach Deutschland", sagt er und lacht. Seit 1997 sind sie verheiratet. Peteanu lernte deutsch, jobbte jahrelang in der Gastronomie - vom Typ her liegt ihm der lässige Barkeeper ohnehin ein bisschen - und nach und nach auch als Dolmetscher, meist vor Gericht. Das macht er bis heute, "auch wenn ich jetzt oft morgens um sechs schon auf dem Feld bin, um nach den Pflanzen zu sehen".

Ein paar hundert Kilo wirft das Feld inzwischen schon ab

Ein paar hundert Kilo wirft das Feld inzwischen schon ab, das bringt schon etwas ein. Und Peteanu hat viele Ideen entwickelt, was sich aus dem Basilikum noch alles machen lässt. Unter dem Markennamen "Paul's Selection" vermarktet er manche Idee bereits im Internet, für andere sucht er sich Partner. Den Basilikum-Sirup bringt er zum Beispiel mit der Augsburger Agentur Vorwärts-Werbung unter dem Markennamen "Blütenrein" von September an auf den Markt; Rezepte für Cocktails und Schorles gibt es schon jetzt unter www.blueten-rein.de. Auch an verschiedenste Schokoladenprodukte ist gedacht, da arbeitet Peteanu gerade mit einem Chocolatier aus Schongau. Die getrockneten Blüten selbst verkaufen sich bereits jetzt sehr gut in Feinkosthäusern in ganz Deutschland, in München bekommt man sie zum Beispiel auch im Kochspielhaus am Gärtnerplatz. "Ich möchte nicht alles allein machen", sagt Peteanu, "es ist mir wichtig, mit passenden Partnern zusammenzuarbeiten." Schließlich sind die Basilikumblüten ja sehr vielseitig verwertbar - das geht hin bis zu Naturkosmetik und Pharmazie.

Das Projekt Paul's Selection, das sich jetzt schon trägt, ist also ausbaufähig. Peteanu hat auch schon eine weitere weitgehend unbekannte Basilikumsorte im Auge: Pfefferbasilikum. Wie der Name schon sagt: scharf im Abgang. "Bei uns in Transsylvanien würde man sagen: Der hat Biss!", albert Peteanu herum. In der Tat kann man sich vorstellen, das auch dieses Gewürz Interessenten findet, gerade in der gehobenen Küche.

Die bayerischen Provence, sie hat also durchaus Potenzial, auch wenn sie noch sehr übersichtlich ist. "Vergangenes Jahr hatten wir nur auf einem Zehntel der Fläche angepflanzt", sagt Peteanu, "die Sache wächst sich also ganz schön aus. Von mir aus kann's so weitergehen."

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Quelle:
SZ vom 13.08.2016
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