Süddeutsche Zeitung

Kostprobe:Mal gelungen, mal enttäuschend

Lesezeit: 3 min

Wässrige Sauce, nahezu ungewürzter Fisch: Die Brasserie l'Atelier bleibt mit ihrer französischen Küche deutlich hinter den Erwartungen zurück

Von Tina von Norden

Es ist eine begrüßenswerte Angewohnheit vieler Restaurants geworden, ihre Gäste am Vortag anzurufen, um sich nach Unverträglichkeiten zu erkundigen oder besondere Speisen anzupreisen. So geschah es auch seitens der Brasserie l'Atelier, die manche noch unter dem Namen L'Atelier Art et Vin kennen mögen: Ob denn der Verzehr der Meeresfrüchteplatte gewünscht sei beim Besuch am nächsten Tage, so die Frage, die bei Tina von Norden die Vorfreude auf den Besuch in diesem Restaurant in der Altstadt durchaus noch steigerte.

Der Empfang in der Brasserie, die dank vieler Holztöne in der Einrichtung und an der langen Bar eine behagliche Atmosphäre ausstrahlt, war freundlich. Und der Aperitif in Form eines Crémant Rosé sehr fein, frisch und prickelnd, und mit einem Preis von sechs Euro je Glas ist man hier im Vergleich zu vielen anderen Münchner Restaurants fair bedient. Tina von Norden und ihre Begleiter waren also gut eingestimmt auf einen kulinarischen Abend - der leider deutlich hinter den Erwartungen und auch früheren Erfahrungen zurück blieb.

Bei den Vorspeisen war die tags zuvor angepriesene Meeresfrüchteplatte (35 Euro) die solideste Wahl. Austern, Schnecken, Garnelen und Hummerscheren wurden mit allen nötigen Werkzeugen und einer tadellosen Vinaigrette serviert. Leider fehlte an unserem Tisch das Wasserschälchen, um die Finger zu reinigen. Dafür war es ein Vergnügen zu beobachten, wie sich auch an vielen anderen Tischen die Gäste am Knacken von Hummerscheren und Herauslösen von Muscheln oder Schnecken mit Feinschmeckerfreude abarbeiteten.

Zwei andere Klassiker der französischen Küche machten uns weniger Freude. Die Zwiebelsuppe (6,90 Euro) hatte eine eintopfähnliche Konsistenz. Die Terrine de Foie gras (14,50 Euro) vermochte schon optisch nicht anzuregen, sie kam mit einem Tupfen von rötlich-süßer Marmelade und einer lieblosen Salatblattverzierung daher, die noch dazu mit Balsamico Creme übermalt war. Geschmacklich undefiniert und aufgrund der Servierwärme ziemlich pastös, schmeichelte sie unseren Gaumen leider nicht.

Beim Hauptgang wurde es nicht wesentlich besser. Am überzeugendsten war der Kabeljau (20,90 Euro). Der Fisch war auf den Punkt gebraten, noch leicht glasig, festes, schmackhaftes Fleisch. Nur wurde das Gericht nahezu ungewürzt serviert und so blieb alles etwas blass im Geschmack. Ein anderes Mal war der servierte Schwertfisch ebenfalls wunderbar gebraten, er war zugleich angenehm gewürzt und mit einer intensiv tomatigen Sauce betupft, und machte so gleich wesentlich mehr her.

Bei dem jüngsten Besuch hatten wir mit der Boudin noir (14,90 Euro) eigentlich wiederum einen Klassiker der französischen Küche bestellt, an dessen Gelingen wir keinen Zweifel gehabt hätten, bis sie auf den Tisch kam. Die Blutwurst selbst war von guter Qualität, doch wünschten wir uns eine elsässische Interpretation mit einer süß-säuerlichen Komponente wie einem klassischen Apfelkompott. So blieb die Boudin noir auf Bratkartoffeln und Kürbis mit einer eher wässrigen Sauce, in der ein paar Zwiebelscheiben schwammen, leider sehr eindimensional.

Eine Enttäuschung war das Entrecôte au poivre (24,90 Euro). Das Fleisch kam mit einer schwer definierbaren Sauce, die einen seltsamen und eher unangenehmen Rauchgeschmack transportierte. Auch wenn Räuchern zurzeit schwer in Mode ist, vermochten wir den Reiz dieser Aromatisierung nicht zu verstehen. Was blieb, war die Erinnerung an Verkohltes und Scharfes. Schade, denn die Fleischqualität des Entrecôte war sehr gut.

Die Weine, von denen wir einen offenen Muscadet, Sauvignon, Sancerre sowie Chardonnay probierten (3,90 bis 5,90 Euro für 0,1) waren völlig in Ordnung, aber keiner davon ist in eindrücklicher Erinnerung geblieben. Die Weinkarte ist allerdings sehr üppig bestückt, sodass wir hier nur einen kleinen Ausschnitt testen konnten.

Wie schon geschrieben: Tina von Norden hat in der Brasserie l'Atelier schon sehr gelungene kulinarische Abende erlebt. Es muss ja auch eine Erklärung dafür geben, warum es so viele Menschen immer wieder in das Restaurant von Thierry Leoncelli lockt, darunter einige Prominente aus dem Münchner Gastronomieleben.

Aber manchmal ist eben der Wurm drin. Das war er, im übertragenen Sinne, auch beim Dessert in der Tarte Tatin (6,90 Euro). Diese kam in einer flambierten Form an den Tisch, der Calvados war hier jedoch in einer Dosierung geflossen, dass Apfel- und jeglicher andere Geschmack nicht mehr erkennbar waren. Der Café Gourmand (6,50 Euro) bestand aus einem faden Eclair mit Fettglasur, einem feinen Macaron und einem guten Espresso.

Tina von Norden verließ mit ihren Begleitern die Brasserie l'Atelier mit enttäuschten Gefühlen, hatten wir sie doch schon handwerklich besser erlebt. Und dennoch, oder vielleicht deswegen, werden wir wieder hingehen. Und hoffen, dass aus der winzigen Küche wieder großartige, klassisch französische Bistroküche geschickt wird.

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Quelle:
SZ vom 07.03.2019
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