Wirtshaus Stiftl:Gemütliches Wirtshaus mit Höhen und Tiefen

Wirtshaus Stiftl: Die Anmutung ist angenehm, fast schon privat.

Die Anmutung ist angenehm, fast schon privat.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im Wirtshaus zum Stiftl im Tal lassen sich einige bayerische Klassiker in spannenden Variationen erleben - und manche in durchaus gewagten.

Von Iwan Lende

Man nennt das eine Toplage. Und sollte die Stadt, wie angedeutet, den Mut haben, das Tal wirklich vom Autoverkehr zu befreien, wäre die Lage für das Wirtshaus "Zum Stiftl" kaum mehr zu toppen. Der Name verrät die Zugehörigkeit zu einer Wirtsfamilie, die es aus dem Dorfgasthaus in Vohburg an der Donau in die Münchner Gastronomen-Hautevolee geschafft hat. Spöckmeier, kleines Wiesnzelt, Sprecher den Innenstadtwirte, und dann schenkt Papa Lorenz Stiftl seinem Sohn Stefan auch noch diese Gaststätte im Däntl-Haus, benannt nach einem furchtlosen Bäcker, der mit daran schuld ist, dass aus König Ludwig dem Bayern ein deutscher Kaiser wurde.

Stefan Stiftl nennt es "Mein Wirtshaus". Das hat eine angenehme, fast schon private Anmutung. Und es ist schon so, dass man sich, kaum hat man seinen (wohlweislich reservierten) Platz gefunden, gleich in guten Händen fühlt. Darf's schon was zu trinken sein? Ja, gerne. Das Haus ist ja brauereifrei, also ist die Bierliste erfreulich vielfältig. Ein Craftbier für die Dame, bitte! Die sind leider alle aus. Also dann ein Hopf-Weißbier! Ist auch aus. Sauber. Gibt es dann ein Kellerbier? Ja. Fein. Und würden wir gerne mit dem "Dreierlei zum Bier" (6,80 Euro) starten. Kommt sofort. Stimmt, Radieserlfrischkäse, Obazda, Kalbsleberwurst, dazu eine Scheibe Brot und eine Breze. Es ist eines der Rätsel bayerischer Gastronomie, dass es für drei Aufstriche nur zwei Unterlagen gibt. Es sind dann die drei fein drapierten Vorspeisen so eiskalt, dass sie sich kaum streichen lassen, geschweige denn irgendeine Art von Geschmack entwickeln. Nach einer Viertelstunde merkt man: schmeckt doch nach was.

Nun aber zur Warmspeise. Die schlanke Speisekarte gibt sich bayerisch weltläufig, wozu heutzutage natürlich der Burger gehört, unter anderen einer "vom BayernOX" (mit Pommes 18,10) in der Bio-Brezensemmel mit 200 Gramm bayerischem Rindfleisch, Eisbergsalat und zwei Soßen zur Wahl. Nun ja, der obere Teil der Semmel war recht lasch, das Fleisch indifferent, die Senf-Chili-Mayonnaise eher langweilig, kommt also dem amerikanischen Original sehr nahe. Dazu später mehr.

Deutlich besser schmeckten die Kalbfleischpflanzerl mit dem falschen "l" im Pfanzerl (13,90), wiewohl das Fleisch, auch das eine bayerische Unart, für den am Tisch herrschenden Geschmack allzu fein durchpassiert war. Perfekt aber geriet der Kartoffel-Gurkensalat, was keine Selbstverständlichkeit, sondern höhere Schule ist. Kaum was zu mäkeln gab's auch bei den "Senner Bratwürstl" (14,80) mit dezentem Bergkäsetouch, wobei das Verhältnis zwischen den Beilagen Sauerkraut/Kartoffelstampf und den vier Würsteln etwas zu deren Ungunsten ausfiel. Den Klassiker Schweinsbraten gibt es hier, diskriminierend, aber praktisch, auch als "Madl-Version" (9,80) mit nur einer Scheibe und zwei kleinen Kartoffelknödeln plus extra Krautsalat (drei Euro).

Letzterer gab zu keiner Klage Anlass, beim Fleisch aber entbrannte die Diskussion, wie man den Spruch "dadaderrdada" buchstabiert. Auf Hochdeutsch: Da verdörrt er dir. Was davon kam, dass der Braten seine Fertigung wohl schon ein paar Stunden hinter sich hatte. Ähnlich disparat fiel auch der Folgebesuch aus. Die viertelte Ente (18,40) war perfekt, knusprige Haut, zartes Fleisch, das Blaukraut apart mit leichter Tendenz ins Süße, bei der Soße aber machte Lendes Mitesser die unfrohe Bemerkung: "Schmeckt nach Packerl". Hohes Lob gab es vom Gegenüber, wo das Tartar auf den Tisch kam (17,50); ausgewogen im Geschmack, prächtiges Fleisch, dazu wirklich gutes Brot (von der Brotmanufaktur Schmidt), ohne viel Brimborium.

Und dann Lendes Liebling: das Schnitzel Wiener Art, hier Münchner Schnitzel genannt (15,50). Man hätte, Fleisch zart, gut gewürzt, nichts zu meckern gehabt, hätte sich der untere Teil der Panade nicht, weil zu wenig kross gebraten, mit dem Kartoffelsalat zu einer Pampe vermengt. Man kann übrigens auch bei der Panade Fantasie walten lassen. Die Vegetarierin nahm sich den Cous-Cous-Wrap vor (als Hauptgang 14,50), war aber, auch wegen des langweiligen Avocado-Überschwangs, nur mit Maßen begeistert. Der Rekord an Essensbeschimpfung aber gehört der Amerikanerin am Tisch, die kühn genug war, den Weißwurstburger (16,90) zu ordern. Weißwurst bedeutete hier: eingepfercht zwischen Kraut- und Eisbergsalat nebst Zwiebel vier Weißwursthälften vom Grill (!) plus eine Nullachtfünfzehn Barbecue-Sauce. Das komme, so die Klage, einem Sakrileg nahe.

Die Nachspeisen, etwa der Apfelstrudel (6,80), schwanden schnell aus der Erinnerung, ebenso der flache Blaue Zweigelt, der mit 6 Euro fürs 0,2-Glas an der Obergrenze des auch in München Zumutbaren liegt. So ragt dieser Stiftl nur ein bisschen aus der Reihe jener Wirtshäuser hervor, die der hiesigen Küchenkonvention und dem Touristenhunger genügen.

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