Kostprobe: Bienenheim:Vom Aussterben bedroht

Toast Hawaii, Zigeunerspieß, Zwiebelsuppe - ein wirklich altmodisches Wirtshaus erkennt man nicht am Dekor, sondern an der Speisekarte. Im Bienenheim in feiern vom Aussterben bedrohte Arten Urständ.

Gerti Meichsner

Altmodisch. Schon das Wort ist altmodisch, gehört zu den aussterbenden Wörtern. Wenn eine Gastwirtschaft altmodisch ist, könnte das schon wieder Nostalgie pur sein, also einigermaßen modern. Nun verstehen viele Wirte unter Nostalgie, dass möglichst viel altes G'raffl an den Wänden hängt. So hieß in München früher das Zeug, das die Tandler billig verscherbelten. Inzwischen nennt sich das Antiquitäten, auch wenn es sich nur um zahnluckerte Rechen oder krumme Mistgabeln handelt. Dieser Dekorationskitsch ist das Gegenteil von altmodisch, denn nach alter Mode hätte man einen solchen Wirt für nicht ganz bei Trost erklärt.

Ein wirklich altmodisches Wirtshaus erkennt man nicht am Dekor, sondern an der Speisekarte. Im Bienenheim in Lochhausen feiern vom Aussterben bedrohte Arten fröhliche Urständ, wie Toast Hawaii, flambierter Zigeunerspieß und französische Zwiebelsuppe. Das einfache Lokal heißt seit einiger Zeit nicht nur Bienenheim, sondern auch Méhecske-Csárda, was in etwa dasselbe bedeutet, nur auf ungarisch. Es bietet "Ungarisch/Bayerische Küche" und wird betreut von ungarisch/bayerischem Personal.

Könnte es sein, dass unsere östlichen EU-Brüder und -Schwestern, von unserer ach so weltläufigen Warte aus gesehen, etwas altmodisch sind? Wenn das bedeutet, dass die Bedienungen so fürsorglich mit dem Gast umgehen wie hier, dass Sonderwünsche bereitwillig erfüllt werden und wenn dann auch noch die Preise stimmen, dann wird kaum einer etwas dagegen haben, ein paar Jahrzehnte zurückversetzt zu werden.

"Wie bei mainär Großmuttär!"

Vor Tellern, die mit Fleisch, Gemüse und Beilagen vollgestapelt und von Saucenbächen überflutet sind, schreckt der einigermaßen figurbewusste Zeitgenosse allerdings zurück, als hätte er aus der überbordenden Fülle den Huf des Teufels aufblitzen sehen. Aber wie es beim Teufel so ist, leicht erliegt man seinen Verlockungen. Die ungarischen Kohlrouladen waren dafür exemplarisch: zwei Riesentrümmer davon, gefüllt mit Hackfleisch und Reis, lagen versteckt auf dem Grund eines Sauerkraut-Rahm-Saucen-Sees, an dessen Gestade sich Salzkartoffeln türmten (8,80 Euro).

Die erste Reaktion war Flucht, die zweite vorsichtiges Herantasten, am Ende sah der Teller aus, als hätte es nie einen See gegeben. Ganz ähnlich verhielt es sich mit den Palat-schinken Hartobagyera - mächtige, mit Faschiertem gefüllte Pfannkuchen, überflutet von würzig-milder Paprikasauce (8,50), alles wohlschmeckend, jedoch arg weich. Aber die als Kronzeugin mitgeführte ungarische Freundin verdrehte verzückt die Augen: "Wie bei mainär Großmuttär!"

Bei der Bestellung von ungarischen Topfenflecken mit Speck (4,60) erkundigte sich die Bedienung vorsichtig, ob man so etwas denn kenne. Vermutlich meinte sie, wir könnten enttäuscht sein, nur Nudeln mit Sauerrahm und Speck serviert zu bekommen. Die Mischung schmeckte aber ausgezeichnet, den Nudeln allerdings fehlte der Biss. Auch das Gemüse beim Brasoer Geschnetzelten hätte fester sein dürfen, einige der Schweinefleischstücke etwas weicher und das Ganze weniger fett. Gut, dass der Tisch etwas schief stand, so dass sich die ölige Sauce an einer Seite des Tellers sammelte.

Man muss Gott für alles danken, sogar für einen Franken

Mit Paprika geht man im Bienenheim sehr vorsichtig um, kein scharfes Pulver scheint verwendet zu werden, nur das sanfte süße. Es ist wohl ein Gerücht, dass die ungarische Küche vor allen Dingen scharf sei. Auch das ausgezeichnete Rinder-Pörkelt aus dem Kessel war zwar kräftig gewürzt, aber keineswegs scharf (11,50). Pörkelt ist das, was hierzulande als Gulasch bekannt ist. Dazu wurden sehr gute Spätzle gereicht, die auch das hervorragende Hirschragout begleiteten, das - weil ohne jeden Knochen - eigentlich ein Hirschgulasch war.

Der fein-herbe Kadarka, Winzerabfüllung, zu 13 Euro die Flasche, passte vortrefflich dazu. Ob Rind, Wild oder Schwein, die Fleischqualität war immer gut. Der ungarische Rostbraten (13,50), eine dicke Scheibe Lende, überhäuft von einem Mittelding zwischen Gemüse und Sauce, kann dazu ebenso als Beispiel gelten wie der Schweinsbraten mit Knödel und Salat (6,80). Der Knödel war guter Standard, die Sauce ganz unbayerisch mit vielen cremig verkochten Zwiebeln angedickt - fremd, aber durchaus nicht schlecht.

Im Sommer gibt es eine Biergarten-Speisekarte, die neben etlichen warmen Gerichten auch Brotzeiten wie Wurstsalat, Emmentaler, kalten Braten etcetera offeriert. Aus diesen Biergarten-Einheits-Angebot ragte ein Gericht hervor, das den oft missbrauchten Titel Schmankerl wahrlich verdiente. Zu der fränkischen Brotzeitplatte (5,00) mit Scheiben von deftiger, aber keineswegs grober Wurst, fiel uns der hochnäsige oberbayerische Spruch ein: Man muss Gott für alles danken, sogar für einen Mittel- (Ober- oder Unter)-Franken.

Ein Wohnzimmer für den Sommer

Der Garten am Rand der Aubinger Lohe, neben dem Gelände des SV Lochhausen gelegen, ist ein grün umwuchertes, herrlich ruhiges Idyll, das Radler und Wanderer anlockt, aber auch Leute aus der Nachbarschaft, die hier anscheinend ihr Sommer-Wohnzimmer haben und sich die warmen Tage mit Maisacher Bier (Halbe 2,90) und gemütlichem Ratschen versüßen.

Apropos süß: Natürlich gehören zu einer K.u.k.-Küche Süßspeisen. Nachdem die Entscheidung zwischen Topfenpalatschinken und solchen mit Konfitüre zu schwer fiel, gab es eine Sonderportion mit zwei Teigröllchen unterschiedlicher Füllung, wobei die Mehlspeise mit Topfen noch köstlicher schmeckte als mit Marmelade (4,10). Beim Kaiserschmarrn (5,20) schieden sich die Geister; die einen fanden ihn genau richtig, den anderen fehlte es an Lockerheit und Rosinen.

Bienenheim, Mehecske-Csárda, Bienenheimstraße 11, Telefon 864 14 54. Geöffnet ab 11.30 Uhr.

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