Süddeutsche Zeitung

Zum Wurz:Ein Stück Amerika am Alpenrand

Black Angus Prime Beef oder ein Rib-Eye: Wer ins Wirtshaus "Zum Wurz" in Bayrischzell geht, bekommt vor allem eines - grandiose Steaks. Doch wohlberaten ist, wer vor der Bestellung einen Blick auf das Stück Fleisch wirft.

Von Karl-Heinz Peffekoven

Der herkömmliche Klagegesang geht etwa so: Ach, gestern war hier noch eine echte, grundehrliche Bauernwirtschaft. Da sind die Einheimischen noch gern hingegangen, gell? Und jetzt: Münchner Schickis mit ihren dämlichen SUVs, Touris aus Wanne-Eickel, am Ende noch Japaner und andere Gruppen, die aus oberbayerischer Sicht nicht satisfaktionsfähig sind. Auch der Wirt ist ja keiner mehr von hier, und jetzt macht er auf Eventgastronom und schreibt seine Speisekarten in falschem Bairisch ("Sauguads Sauribberl"). Da sieht man mal wieder, wie es abwärts geht und so weiter und so fort.

Peffekoven greift hier zum, für ihn, unüblichen Mittel der Selbstbezichtigung und bekennt: Ja, auch ich habe derlei verfasst; aus bestem Wissen und Gewissen und natürlich niemals grundlos. Aber ungerecht war es vielleicht manchmal schon, jedenfalls ein ganz klein wenig. Es ist ja nicht so, dass der neue Wirt den alten mit Gewalt aus der holzvertäfelten Stube trieb; oft genug war dieser schon alt und hängte hin, wie man so sagt, und der Neue musste sehen, wie er ein tragfähiges Konzept findet, auch wenn das nicht jeder Nostalgiker wie der Herr Peffekoven goutiert.

Und jetzt schwatzt der schon so dahin, als hocke er satt und froh beim dritten Bier im Gasthaus Zum Wurz, Osterhofen. Das ist ein kleines Dorf mit Bergblick kurz vor Bayrischzell, mit herrlichen alten Höfen, genug Abstand zur verkehrsreichen Landstraße und einem traditionsreichen Gasthaus, dem Wurz eben. Und dieser ist auch nicht mehr der, der er einmal war, wobei Peffekoven nur gehört hat, es habe sich um ein einfaches Dorfgasthaus gehandelt. Und jetzt handelt es sich um eine der besten Einkehren weit und breit im Tal.

Ein Hauch von Wilder Westen in Osterhofen

Der neue Wirt hat den großen Gaststuben ein Interieur verpasst, das man als Melange von Ranchkeller und Wirtshaus bezeichnen könnte - und außerordentlich gelungen ist. Es ist behaglich, mit schönem Holz ausgekleidet, viele alte Details wie die Fenster, der Dielenboden, Deckenbalken und Kachelofen wurden liebevoll bewahrt. Und der leichte Einschlag Wilder Westen ist Teil des Konzepts, denn der Wurz kombiniert klassische bayerische Küche mit, man muss es so sagen, fantastischen Steaks aus, zum Beispiel, Nebraska.

Nichts gegen Steakhausketten oder so. Aber das hier ist, wie man in Nebraska sagen würde, "the real thing". Das Wahre. Es gibt Black Angus Prime Beef, zu haben als Flanksteak, Filet oder Rib-Eye. Das Fleisch ist so zart und intensiv, wie man es sich nur wünschen kann, wenn man kein Vegetarier ist. Und Peffekoven ist keiner. Es stammt von Rindern, die, wie es sich gehört, unter freiem Himmel leben und mit hormonfreiem Reis zugefüttert werden. Beim Bezug des Fleischs hat der Wirt wenig Mühe und Kosten gescheut, beides bemerkt der Gast deutlich: Die Preisspanne beginnt bei 22 Euro und reicht bis 45.

Es gibt auch australisches und irisches Rindersteak, wobei es heißt, jenes aus Irland habe durch die salzhaltige Luft des Atlantiks einen besonders würzigen Geschmack. So steht es auf der Speisekarte - und genau so war es, wie sich Peffekoven und seine verzückte Tischgesellschaft gegenseitig bestätigten, nachdem das erste andächtige Schweigen gebrochen war.

Warum man besser vorher die Steaks anssieht

In einer Kühlvitrine kann, wer mag, die Steaks vorher ansehen. Das ist als Vorwarnung ganz hilfreich, denn die Stücke sind das, was Peffekovens Großvater als "gerade recht" bezeichnet hätte: Die Portionen gehen bis zu 400 Gramm, und wohlberaten ist, wer zuvor eine ordentliche Bergtour absolviert hat oder dies anderntags tut, was keine schlechte Option ist, denn der Wurz verfügt auch über einige einfache, gemütliche Zimmer (mit Balkon und Aussicht).

Jetzt aber schnell zurück in die Wirtsstube. Zu den Steaks gibt es dort diverse Beilagen Steakhouse Pommes, Röstkartoffeln, natürlich Folienkartoffel, dazu Bratgemüse, Blattspinat, Grüne Bohnen, Salat oder gebratene Zwiebeln. Zwei Beilagen nach Wahl gehören dazu, jede weitere kostet 3,50 Euro, aber der menschliche Magen hat ohnehin Grenzen. Eine besonders feine Sache sind die Saucen, die in reicher Auswahl angeboten werden (ebenfalls zwei im Preis enthalten). Unsere Favoriten waren die feine, scharfe Chilibutter und die üppige Pfefferrahmsauce.

Was es außer Steaks zu essen gibt

Wer nun nicht so viel Hunger oder gerade nicht 45 Euro für 300 Gramm Black Angus Rinderfilet zur Hand hat, kann trotzdem gut und zu gemäßigten Preisen speisen, etwa ein zartes Wiener Schnitzel oder einen Caesar Salad mit, na klar, Rinderfiletstreifen. Es gibt einfache, aber recht authentische Penne all' arrabbiata oder den Klassiker Spaghetti aglio, olio e peperoncino, beides scharf mit der richtigen Knoblauchmischung. Für Vegetarier ist also nicht alles verloren.

Was bleibt zu sagen? Dass man sich hier sehr wohl fühlen kann. Dass die Wirtsleute und die Damen vom Service richtig nett sind, obwohl Peffekoven nicht eingriff, als die mitgebrachten Kinder bei der Bestellung Wünsche von einiger Komplexität vorbrachten. Dass es auch draußen vor dem prächtigen alten Haus schöne Tische gibt. Und dass auch Nostalgiker dazulernen können.

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SZ vom 07.05.2015/mmo
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