Süddeutsche Zeitung

Werksviertel:Wie teuer wird der Konzertsaal?

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Von Christian Krügel und Wolfgang Wittl

Alle Politiker und Konzerthaus-Verantwortlichen hatten sich bislang tunlichst bemüht, keine konkreten Kosten für das Projekt im Werksviertel zu nennen. Aus gutem Grund: Die beim Wettbewerb siegreichen Architekten Cukrowicz Nachbaur müssen erst ihre Entwürfe überarbeiten und detaillierte Bauplanungen vorlegen.

Zudem fehlen noch die Pläne von Akustikern und Statikern. "Nach jetzigem Stand kann noch niemand eine seriöse Kostenberechnung abgeben", sagte deshalb Bauminister Joachim Herrmann am Mittwoch im Haushalts- und Wissenschaftsausschuss des Landtags. Doch bei der Debatte über das Projekt dort wurde klar, dass es sehr wohl einen Kostenrahmen gibt, der offenbar auch im Preisgericht des Architektenwettbewerbs eine Rolle spielte: 370 Millionen Euro.

Die Zahl hatte das Finanzministerium vor gut einem Jahr in den Raum gestellt, seitdem hatte das Kultusministerium immer nur von einem Kostenrahmen zwischen 150 und 300 Millionen Euro gesprochen. Landtagsabgeordnete von CSU, SPD und Freien Wählern pochten darauf, dass 370 Millionen definitiv eine Obergrenze sein müsse. "Wir brauchen keine Kostenberechnung, keine Kostenschätzung. Die 370 Millionen sind unser Maßstab", sagte Bernhard Pohl (Freie Wähler).

Tatsächlich war das wohl auch den Juroren im Preisgericht bewusst. "Es ist nicht so, dass wir Kosten völlig außen vor gelassen haben", sagte Daniel Oden vom Staatlichen Bauamt, den Minister Herrmann zum Projektbeauftragten für das Konzerthaus ernannt hat. Es habe einen gewissen "Plausibilitätscheck" gegeben, der wegen der unterschiedlichen Saalentwürfe nicht einfach gewesen sei.

Deshalb habe man auf die Grundkonstruktion der Häuser geachtet und sei am Ende zu dem Ergebnis gekommen: "Alle fünf Preisträger sind im Rahmen der 370 Millionen zu verwirklichen", so Oden. Neben dem siegreichen Entwurf der Vorarlberger Architekten waren vier weitere Modelle anderer Büros gekürt worden. Das gläserne Konzerthaus von Cukrowicz Nachbaur habe in einem internen Kostenranking auf Platz neun der 31 Entwürfe gelegen und sei um etwa 20 Prozent teurer eingestuft worden als der günstigste Entwurf.

Einige Architekten hätten aber die 370-Millionen-Grenze mit ihren Plänen sicher gerissen. Die Verhandlungen mit den Wettbewerbssiegern würden jetzt zügig geführt, Daniel Oden hofft auf eine Beauftragung bis Februar. Parallel werde auch mit den Büros auf den Plätzen zwei bis fünf verhandelt, wenn diese überhaupt noch interessiert seien.

Für CSU-Haushaltspolitiker Ernst Weidenbusch sind mehrere Verhandlungsoptionen ein absolutes Muss: "Die Hauptplanungsaufgabe hat schon gelautet, den Kostenrahmen einzuhalten. Wenn es der erste Platz ist, gut. Es kann aber auch der fünfte Platz sein. Daran wird sich der Haushaltsausschuss messen lassen."

Alle Abgeordneten drängten auf eine scharfe Kostenkontrolle. Denn trotz Herrmanns Beteuerungen, Daniel Oden sowie eine externe Projektsteuerung würden extrem auf die Kostenentwicklung achten, sitzt der Zweifel der Abgeordneten offenbar tief. Es dürfe "keinen zweiten Fall Gärtnerplatz" geben, sagte Thomas Mütze (Grüne) und verwies auf die Kostenexplosion bei der Renovierung.

Die war einst mit 70 Millionen Euro veranschlagt worden, landete am Ende aber bei 121 Millionen. "Man hat sich entschieden, dieses gigantische Projekt in Angriff zu nehmen - aber eben nur unter bestimmten Rahmenbedingungen", betonte Harald Güller (SPD).

Fast alle Abgeordneten mahnten außerdem, lieber gründlich und exakt zu planen als zu schnell. "Wichtig für uns ist: keine Vorfestlegung auf eine Zahl. Eine Schätzung ist eine Schätzung. Erst wenn die Planung so tief wird, wie wir erhoffen, bekommen wir eine belastbare Zahl", sagte der Grünen-Abgeordnete Mütze. Isabell Zacharias (SPD) und Thorsten Glauber (Freie Wähler) wiesen darauf hin, vor Baubeginn auch die Fragen nach der konkreten Nutzung der Räume, der Leitung des Hauses und der Akustik zu klären.

Es dürfe nicht am Ende wie bei der Elbphilharmonie in Hamburg sein, wo sich Akustiker, Haustechniker und Statiker gegenseitig bekämpft und deshalb die Kosten gesteigert hätten. Oden versprach entsprechende "Eskalationsmechanismen", kündigte aber auch an: "Wir werden uns den weltbesten Akustiker suchen, den der Markt hergibt."

Dennoch blieb eine Grundskepsis bei den Abgeordneten, auch wenn außer Karl Freller (CSU) niemand mehr den Standort Werksviertel infrage stellte. Sehr wohl aber dessen Anbindung: CSU-Mann Weidenbusch etwa fürchtet Mehrkosten durch einen teuren Tunnel unter den Gleisen oder eine Brücke über den Ostbahnhof.

Nach Informationen der SZ gibt es für den Bau eines zweiten durchgängigen Fußgängertunnels unter dem Ostbahnhof zur Friedenstraße inzwischen eine vertragliche Vereinbarung von Stadt und Deutscher Bahn. Zudem verhandeln Freistaat, Bahn und Stadt mit Werksviertel-Grundstückseigentümer Werner Eckart über eine Fußgängerbrücke von Haidhausen über die Gleisanlagen zum Konzerthaus.

Kultusminister Ludwig Spaenle bestätigte am Mittwoch im Landtag, dass sich der Freistaat an einer Machbarkeitsstudie beteiligt. Es gebe aber keine Zusicherung für eine Finanzierung.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2017
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