Süddeutsche Zeitung

Konzertsaal-Debatte:"Lasst uns groß denken"

Lesezeit: 2 min

Von Christian Krügel

Die Kernaussagen von Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU) sind diesmal so klar und unmissverständlich, dass nach 15 Jahren Debatte endlich kein Zweifel mehr sein sollte. "München bekommt einen Konzertsaal" und "Eine Entscheidung fällt noch in dem Jahr mit einer fünf hintendran" - was im Spaenle'schen Duktus das Jahr 2015, also heuer, bedeutet. Dass aber doch noch Skepsis angebracht sein darf, liegt unter anderem an der Gelegenheit und am Ort, an dem der Minister so dezidiert sprach.

Ludwig Spaenle trat bei einer Präsentation der Pläne für das Projekt "Die Resonanz" im Backstage auf, unmittelbar neben der riesigen Paketposthalle. Aus der möchte ein Investorenteam um den Rechtsanwalt Josef Nachmann und die Architektin Andrea Gebhard eine große Musikwelt mit einem großen und mehreren kleinen Sälen machen, mit Probenräumen, Gastronomie, Foyers und womöglich auch noch Zimmern für die Musikhochschule.

Von einer "Stadt der Musik" ist die Rede. "Lasst uns groß denken", fordert Gebhard. Die "Resonanz"-Leute sind damit einer von zwei Konkurrenten um den Konzertsaal-Standort. Der andere Mitbieter ist Werner Eckart und sein Werksviertel-Areal am Ostbahnhof. Mit beiden soll eine Lenkungsgruppe der Staatsregierung Konditionen aushandeln, damit Spaenle am 15. Dezember im Kabinett eine Entscheidung vorschlagen kann.

Werbefeldzug statt Vertraulichkeit

Und hier beginnt das Problem. Denn eigentlich sollten die Verhandlungen vertraulich laufen und der Entscheidungsfindungsprozess in Ruhe über die Bühne gehen. Doch stattdessen hat ein öffentlicher Werbefeldzug eingesetzt, der die Stadt, vor allem aber die Münchner CSU, spaltet. Denn die Christsozialen im Westen trommeln gewaltig für "Die Resonanz". Sie organisierten die Veranstaltung mit Spaenle im Backstage, zu der am Sonntagabend rund 300 Gäste kamen.

Die West-CSU stellte auch da unmissverständlich klar: Der Konzertsaal müsse in den Westen Münchens, der von der Stadt kulturell bisher eklatant vernachlässigt worden sei. Stadträtin Kristina Frank hielt ein entsprechend flammendes Plädoyer. Gewiss sehr zum Unwillen der Ost-CSU, aus deren Reihe prominente Vertreter im Backstage gesichtet wurden. Sie unterstützen klar die Werksviertel-Pläne des Teams um Werner Eckart. Und aus diesem wiederum ist starkes Grummeln über den West-Werbefeldzug und Spaenles Auftritt im Backstage zu hören. Der Minister sei ja eigentlich zur Neutralität verpflichtet.

Gleichwertige Konzepte

An die hat sich Spaenle auch gehalten: Es gebe "zwei gleichwertige Konzepte", bei denen das eine im Werksviertel weiter entwickelt, das andere in der Paketpost interessante Perspektiven biete, sagte er. Gleichwohl sei es nicht der Auftrag der Staatsregierung, eine ganze Musikstadt zu bauen. Geprüft werde nur, wo das Raumprogramm der BR-Orchester vernünftig umgesetzt und zugleich Ausweichräume für die Musikhochschule gefunden werden könnten. Wenn das der Impuls für eine "größere Entwicklung" sei, könne das der Staatsregierung recht sein, sagte Spaenle. Eine salomonische Erklärung.

Andrea Gebhard und ihre Mitdiskutanten warben für eben diese "größere Entwicklung" in der Paketpost. Dirigent Alexander Liebreich schwärmte über neue Möglichkeiten für Münchner Orchester, der Architekt Ole Scheeren über die Option, an der Paketpost einen ganzen kulturellen Stadtraum gestalten zu können. Auf entscheidende Fragen gab es allerdings nur kurze Antworten. Etwa ob denn die Post zeitnah die Halle verkaufe und ihr Briefzentrum verlagere: Gebhard sprach von Verhandlungen, die aber vielleicht auch erst "ein, zwei Wochen" nach dem 15. Dezember besiegelt sein könnten.

Offen blieb auch, warum der Freistaat nicht selbst die Gespräche mit der Post führt, sondern ein Zwischengeschäft mit der Investorengruppe dazwischen geschaltet werden soll. Themen zum Nachhaken für die Ost-CSU: Die Planungen für eine Gegenveranstaltung laufen dem Vernehmen nach schon.

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Quelle:
SZ vom 17.11.2015
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