Süddeutsche Zeitung

Konzertsaal-Debatte:Kabinett lässt fünf Standorte prüfen

  • Das bayerische Kabinett zieht jetzt fünf Standorte für einen neuen Konzertsaal in die engere Wahl und lässt diese von einem Planungsbüro prüfen.
  • Als Favoriten gelten immer noch die Paketposthalle und das Werksviertel am Ostbahnhof.
  • Ein Baubeginn könnte wohl frühestens 2018 erfolgen.

Von Christian Krügel und Wolfgang Wittl

Die bayerische Staatsregierung setzt im Streit um einen neuen Konzertsaal auf den Rat eines unabhängigen Experten. Der Ministerrat hat am Dienstag beschlossen, fünf mögliche Standorte vom Stadtplanungsbüro Albert Speer und Partner prüfen zu lassen: den Finanzgarten, den Olympiapark, das Werksviertel im Ostbahnhof, die Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke und auch den Apothekerhof in der Residenz.

"Wir wollen eine sachlich fundierte Lösung erreichen", sagte Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU) nach der Kabinettssitzung. Speers Gutachten soll bis Anfang Oktober vorliegen. Auf dessen Basis wolle der Ministerrat "noch im Herbst dieses Jahres eine verbindliche Standortentscheidung treffen", so Spaenle.

Ein Baubeginn könnte wohl frühestens 2018 erfolgen. Er läge damit gerade noch in dem Zeitfenster, das Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in der Regierungserklärung zu Beginn seiner zweiten Amtszeit genannt hatte.

Alle Standorte sollen gleichberechtigt geprüft werden, kündigte Spaenle an. Die Auswahl überrascht insofern, da manche Standorte bereits aus dem Rennen schienen. Im Olympiapark etwa ist unklar, wann das neue Eisstadion gebaut werden soll. Ein Abriss des alten Stadions ist allerdings die Voraussetzung dafür, dass an dieser Stelle ein Konzertsaal gebaut werden könnte.

Auch der Apothekerhof, unmittelbar hinter dem Herkulessaal gelegen, war zuletzt nicht mehr genannt worden, weil der Denkmalschutz massive Bedenken hat. Der Bariton Christian Gerhaher setzte sich aber bei Ministerpräsident Seehofer sehr für den Standort ein, so dass der Apothekerhof nun ebenfalls geprüft wird.

Paketposthalle und Werksviertel als Favoriten

Als Favoriten gelten aber immer noch die Paketposthalle und vor allem das von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bevorzugte Werksviertel am Ostbahnhof. Beide Projekte werden von privaten Investoren forciert. Dass die Staatsregierung nun wieder fünf Standorte prüfen lässt, dürfte mehrere Gründe haben: Zum einen verbessert sie so ihre Verhandlungsposition gegenüber den Investoren, weil sie zusätzliche Alternativen aufzeigt.

Zum anderen will sie Kritik wegen angeblich mangelnder Transparenz vermeiden. Dem Vernehmen nach hatte die Staatskanzlei überlegt, sich schon jetzt auf das Werksviertel festzulegen, in einem Gespräch mit Seehofer und dem CSU-Wissenschaftsexperten Oliver Jörg konnte sich Spaenle aber mit dem Wunsch nach gründlicherer Prüfung durchsetzen.

Die Suche nach dem besten Platz solle nicht nach politisch oberflächlichen Kriterien erfolgen, sondern ausschließlich nach fachlichen, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) nach der Kabinettssitzung. Kunstminister Spaenle sagte, alle fünf Standorte seien "aus der Mitte der Münchner Bürgerschaft vorgeschlagen" worden. Priorität bei der Prüfung hätten der Zeithorizont und die bauliche Umsetzbarkeit. Ziel sei es, in den kommenden drei Jahren eine Planung vorzulegen, die "unumkehrbar" sei. Eine konkrete Festlegung auf den Baubeginn vermied Spaenle, er sagte aber: "Bis 2018 wollen wir den Zug auf dem Gleis haben."

Mögliche Finanzierungsmodelle sollen offenbar parallel zum Speer-Gutachten im Finanzministerium geprüft werden. Strittig ist dabei vor allem, wie der Freistaat in ein gemeinsames Projekt mit einem Investor einsteigen könnte. Im Werksviertel möchte Pfanni-Erbe Werner Eckart bauen, in der Paketposthalle der Immobilienentwickler Mathias Niemeier. Dieser begrüßte die Kabinettsentscheidung: "Jetzt ist ein qualifizierter Wettbewerb möglich." Auch aus dem Büro Eckart kam am Dienstag Zustimmung zum Vorgehen.

Zustimmung von den Grünen

Der Verein der Konzertsaalfreunde spricht gar von einer "weisen Entscheidung": "Nur so besteht die bestmögliche Chance mit belastbaren Ergebnissen und in absehbarer Zeit den besten Standort zu finden", heißt es in einer Presseerklärung. Und selbst von den Landtags-Grünen kommt Zustimmung. "Jetzt kommen sie doch noch zur Besinnung", kommentierte Sepp Dürr, kulturpolitischer Sprecher der Grünen.

Zugleich forderte er "endlich ein bayernweites Konzept, das sämtliche kulturpolitische Baustellen dieser CSU-Regierung auflistet und Lösungsperspektiven aufzeigt". Darum könnte es schon am Mittwoch in der CSU-Fraktionssitzung gehen. Nach Informationen der SZ soll parallel zum Standortgutachten eine Liste mit Einrichtungen und Orchestern außerhalb Münchens erarbeitet werden, die als Kompensation zum Konzertsaal finanziell gefördert werden sollen.

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SZ vom 15.07.2015/doen
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