Der Abriss des sanierungsbedürftigen Gasteig-Kulturzentrums ist offenbar doch wieder eine Option für den Stadtrat. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wächst in allen Stadtratsfraktionen die Sorge, dass die Kosten für Umbau und Erneuerung derart steigen, dass der Abriss womöglich sogar günstiger kommen könnte.
Die interfraktionelle Arbeitsgemeinschaft des Stadtrats, die sich mit der Haushaltssituation beschäftigt, fordert deshalb, diese radikale Lösung noch einmal konkret zu prüfen. Die Fraktion von Grünen/Rosa Liste schlug am Freitag vor, zumindest Philharmonie und Musikräume aus dem Gasteig in ein neues Objekt zu verlagern: eine Musikstadt, die in der Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke entstehen könnte.
Wieso der Umbau teuer werden könnte
Am Gasteig müssen dringend Haustechnik, Brandschutz, Fenster und viele Gebäudeteile erneuert werden. Zudem soll die Philharmonie in einen neuen, akustisch deutlich besseren Konzertsaal umgebaut werden. Nach den letzten Schätzungen könnten so leicht 480 Millionen Euro zusammenkommen. Die genaue Kalkulation steht noch aus, weil ein "Team Zukunft" der Gasteig GmbH im Auftrag des Wirtschaftsreferats derzeit ein Raum- und Nutzungskonzept erarbeitet.
Klassik und Macht:Was der Konzertsaal-Streit über München verrät
Kunstbeflissene Zahnärzte, progressive Nachtklub-Besitzer: Die Debatte über die neue Philharmonie findet einfach kein Ende.
Zugleich suchen die Münchner Philharmoniker eine Ersatzspielstätte für die Zeit der Gasteig-Sanierung - auch das dürfte nicht günstig werden. Da gleichzeitig die Haushaltslage der Stadt aber alles andere als rosig ist, scheint nun auch wieder eine Option möglich zu sein, die schon mal verworfen wurde: der Abriss des Kulturzentrums und ein Neubau. "Wir haben vereinbart, in der ersten Jahreshälfte 2017 eine Grundsatzentscheidung zu treffen", erklärt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Hierfür würden "noch mal alle denkbaren Varianten durchgerechnet". Sinn der neuerlichen Kostenschätzung sei es, "eine möglichst wirtschaftliche und fachlich optimale Lösung zu finden", so Reiter.
Die könnte für die Grünen auch darin bestehen, die Gasteig-Philharmonie aufzugeben und in der Paketposthalle eine Musikstadt völlig neu aufzubauen: mit einem großen und mehreren kleinen Konzertsälen, Räumen für Hochschule und Ausstellungen. "Eine solche mutige Option sollte zumindest ernsthaft geprüft werden", heißt es in einem Antrag der Stadratsfraktion.
Sie verweist auf Paris: Dort sei 2015 für 380 Millionen Euro die neue Philharmonie als großes Musikzentrum entstanden - angesichts dessen "erscheint es fraglich, ob die erwarteten Kosten für eine umfassende Sanierung und Modernisierung des Gasteig verhältnismäßig sind". Eine Musikstadt an der Friedenheimer Brücke sei verkehrsgünstig gelegen und könnte einen wichtigen Beitrag für die Stadtentwicklung leisten.
Ein Umbau der Paketposthalle war 2015 bereits vom Freistaat geprüft und für unkalkulierbar teuer gehalten worden. Auch Reiter ist vorsichtig: "Dass wir uns in ein völlig unkalkulierbares Großprojekt an anderer Stelle stürzen werden, halte ich für äußerst unwahrscheinlich." Bürgermeister Josef Schmid (CSU), als Wirtschaftsreferent für den Gasteig zuständig, hält von der Grünen-Idee nichts: "Wir wollen ein Kulturzentrum, das alle Sparten umfasst, ja erhalten und nicht zerschlagen."