Konzerthaus:Die letzten Zweifel

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Die Glasfassade ist das entscheidende Gestaltungselement des Entwurfs für das neue Konzerthaus im Werksviertel. (Foto: Florian Peljak)

Wie der Landtag am Bau des Konzerthauses rüttelt, um ihn dann doch abzusegnen

Von Michael Zirnstein

Auch wenn es leidenschaftlichen Kämpfern für das neue Konzerthaus nun, nach Markus Söders Amtsantritt, die unsägliche Horrorvorstellung zu sein scheint - sie wurde ausgesprochen: "Wenn der Freistaat das ganze Projekt kippt . . . " Gefordert hat das am Donnerstag zwar keines der Mitglieder des Haushaltsausschusses des Landtags, aber der Rechtsberater Bernhard Stolz nannte diese Eventualität dem Gremium doch als Ultima Ratio, wenn man wissen wolle, wie der Freistaat noch aus der Zusammenarbeit mit den Siegern des Architekturwettbewerbs herauskommen könnte. Auch dies hatte niemand gefordert, gedanklich durchgespielt aber sehr wohl. Darauf lassen Äußerungen von Finanzpolitikern aus allen Lagern schließen, manche zeugen von Misstrauen gegenüber dem Bregenzer Architekturbüro Cukrowicz Nachbauer, das das Konzerthaus bauen soll

Dabei herrschte zuvor Aufbruchstimmung: Andreas Cukrowicz und Anton Nachbauer-Sturm hatten mit ihrem Modell nicht nur die Wettbewerbsjury überzeugt, sondern auch in den Nachverhandlungen mit dem Staatlichen Bauamt von allen fünf ersten Preisträgern die meisten Punkte erzielt. Der Vertrag lag zur Unterschrift bereit. Dann stellte sich vor vier Wochen der Haushaltsausschuss quer. Ernst Weidenbusch (CSU) hatte angeregt, parallel zu den Gewinnern weitere Platzierte mit einer eigenen Vorplanung zu beauftragen - das würde ja auch nur ein, zwei Millionen Euro mehr kosten. Dann hätte man ein Backup, würde man in einem Jahr feststellen: Die Bregenzer bringen's eben doch nicht. Zwar war man sich im Bauamt sicher, dass dieses Ansinnen juristisch nicht mit dem Vergabeverfahren vereinbar sei. Weidenbusch rüttelte mit seiner Idee trotzdem an den Grundfesten der noch nicht gebauten Philharmonie, und auf einmal wackelte alles: Ist die gläserne Hülle des Siegermodells mit diesem Material überhaupt machbar? (Genau dies soll die nächste Planungsphase zeigen.) Und wie schade wäre es um den zauberhaften Entwurf aus Kopenhagen, dem "Röckchen" genannten Sieger der Herzen, der den Eingang auf der falschen Seite hat - könne man dafür nicht nebenan geplante Schule städtebaulich versetzen? Hoffnung machten sich sogar wieder die Befürworter von David Chipperfields neo-babylonischem Terrassenturm. Dabei war der wegen des zu schmalen Raumangebots klar durchgefallen.

Solchen Wenn-hätte-aber-Argumentationen erteilte Brigitta Brunner, die neue Amtschefin in Ilse Aigners Bauministerium, eine klare Absage: "Nach dem jetzigen Stand geht es darum, den ersten Preisträger zu beauftragen." Um dies von außen bestätigen zu lassen, habe man das Gutachten eines Experten eingeholt: Bernhard Stolz von der Kanzlei Krauss, Sienz & Partner, die in der Branche als "Vergaberechtspäpste" gelten, machte denn auch klipp und klar, was dem Freistaat droht: "Wird zusätzlich ein anderer beauftragt, könnte der Erstplatzierte ein Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer einleiten, das zu seinen Gunsten ausfallen würde." Cukrowicz Nachbauar könnten also den Auftrag einklagen oder hätten Anspruch auf Schadenersatz in Höhe ihres Honorars.

Einen anderen Ansatz verfolgte Bernhard Pohl von den Freien Wählern. Er regte an, das Siegerbüro vertraglich dazu zu bringen, weitere Architekten mitplanen zu lassen. Stolz fragte gar nicht danach, warum sich die Bregenzer darauf überhaupt einlassen sollten. Der Jurist wies lediglich darauf hin, dass man auf diese Weise allen Unterlegenen ermöglichen würde, gerichtlich einen neuen Wettbewerb durchzusetzen. Weidenbusch gab seine Blockadehaltung in der Folge auf, "obwohl ich juristisch ganz anderer Meinung bin", wie er sagte. Möglicherweise musste er zudem erkennen, dass die Kosten doch enorm steigen, wenn man einen zweiten Architekten beauftragt. Auch dieser käme nicht ohne zusätzliche Fachplaner und Statiker aus, die ihrerseits bezahlt werden müssten. Um aber - worauf die SPD drängte - die Erkenntnisse einer Reise der Landtagsabgeordneten zu europäischen Konzertsälen zu berücksichtigen, beantragte Weidenbusch, den Architektenvertrag an einen Raumplan zu koppeln. Der würde, nach dem Bedarf der Nutzer, die Größe der Gastronomie, jeden Saal, jede Toilette exakt vorschreiben. Das heißt, in den Worten des CSU-Abgeordneten: "Wenn eine nichttragende Wand rauskommt, hat es keine Relevanz. Alles andere muss uns hier präsentiert werden." Unter dieser Voraussetzung gab der Ausschuss seinen Segen für den Vertrag des Freistaats mit den Bregenzer Architekten.

Bauministerin Aigner freut das grüne Licht aus dem Haushaltsauschuss: "Das Projekt kann jetzt auf Hochtouren laufen." In drei bis vier Wochen soll die Ausschreibung für die Saalakustik fertig sein. Mit Freude vernahm dies auch das BR-Symphonieorchester, das sich gerade auf Konzertreise in Russland befindet. "Unser heutiges Konzert in Moskau widmen wir dem Konzerthaus in München", verkündete dessen Sprecher.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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