Von all den Übergeschnappten im Rock-Zirkus findet man die Schnappigsten sicher im Heavy-Metal-Gehege. Nehmen wir Powerwolf. Laut ihres eigenen Glaubensbekenntnisses zeigen die Kraftwölfe aus Saarbrücken, dass „Heavy Metal so viel mehr ist als nur Musik! Es ist eine Religion.“ Ihre unheilige Messe haben sie schon auf dem „holy Ground“ gehalten, dem Metal-Hochfest in Wacken, und bald zelebrieren sie sie in der Olympiahalle (25. Oktober) – vor „meterhohen Feuersäulen“ verschmelze das Rudel, so heißt es, mit dem Publikum zu einer „sich bis zur Ekstase gegenseitig puschenden Gemeinschaft“. Heiligs Blechle!, möchte man da frohlocken.
Mag man diese Götzenverehrung noch als genreübliche Schauer-Scharade belächeln, tauchen Heilung weit tiefer ab ins Transzendente (13. September, Zenith). Die Band, so sagt sie selbst, spiele „keine Konzerte. Sie vollzieht Rituale.“ Alles fing damit an, dass der in Dänemark lebende deutsche Tätowierer Kai Uwe Faust dem Musiker „Juul“ ein Hautbild als Gegenleistung für eine Gedichtsammlung versprach (das Ergebnis kann man im Sprech-Track „Schlammschlacht“ über die Varusschlacht im Teutoburger Wald nachhören). Jedenfalls starten Heilung ihre Konzerte seitdem mit einem alten Gebet – dann hüllt man sich in Weihrauch und Tiermasken, stimmt Kehlkopfgesänge an, driftet in urige Rhythmen und Elektro-Sphären ab und erzählt nordische Mythen – „dann verschwimmen die Grenzen zwischen musikalischer Performance, alten heidnischen Kulthandlungen, Vergangenheit und Gegenwart“. Von germanischer Nationaltümelei grenzt sich die Band gottlob explizit ab.
Das Kultische findet man natürlich nicht nur in der Metal- oder Pagan-Folk-Szene. Gerade in diesem Jahr, in dem die Anhänger zu Taylor Swift „pilgerten“ und dort einem Kürbis-Hexentanz beiwohnten, bei Coldplay die Erleuchtung im Lichtermeer suchten oder bei Adele auf dem Messegelände (wo schon ein Papst predigte) ihren Predigten, Beichten und Pop-Gospels lauschten. Und jetzt im Herbst geht es weiter mit der Anbetung. Sei es bei Alice Cooper, dem Voodoo-Priester des Hardrock („School’s Out“) in der Olympiahalle (8. Oktober). Oder sei es bei Deep Purple, den Metusalixen des Hardrock, die auch im 66. Karrierejahr und mit neuer Platte („=1“) sich in die Farbe Lila kleiden (im Katholizismus die Farbe der Besinnung, der Buße, der Ausrichtung auf Gott) und Rauchopfer darbringen („Smoke On The Water“, 23. Oktober, Olympiahalle).
Jede Pop-Sekte hat ihre eigenen Propheten. Die versammeln sich bei ihrem „Independent-Messias“ Howe Gelb, der einst mit den Wüstenrockern Giant Sand ordinierte (24. September, Milla). Die anderen feiern mit dem kanadischen, von Netflix-Serien wie „The New Pope“ bekannten Songwriter Leif Vollebekk am 2. Oktober im Strom die Ankunft seines Albums „Revelation“ (was Offenbarung heißt). Und obwohl die 20 Musiker der Express Brass Band jeder Überhöhung ihrer selbst unverdächtig sind, sorgen sie doch nicht nur bei Straßen-Guerilla-Auftritt mit Jazz, Soul, Afrobeat, New Orleans Brass und Maghreb-Tunes für spirituelle Ekstase, sondern auch als Hochzeits- und Beerdigungskapelle. Zum 25. Band-Geburtstag spielt sie sich in ihrem Lieblingstempel, dem Import Export (4. Oktober), nun selbst ein Ständchen mit dem Titel „Es ist dein Geburtstag.“ Und Hauptstadt-Rapper Peter Fox bringt „20 Love-Songs“ in die Olympiahalle (13. und 17. September) – Liebe, die einzige wahre Religion im Pop.