Süddeutsche Zeitung

Konzert in der Seidlvilla:Aufregende Energie

Diana Syrse und ihr Porträtkonzert in der Seidlvilla

Von Egbert Tholl

Ein wenig wundert man sich über die großen Orchester in München. Die scheinen darauf zu warten, vom Sitzplatzbewilligungsministerium endlich die Kapazität für eine Bruckner-Symphonie zugesprochen zu kriegen. Bis dahin spielt man halt mit rund 40 Musikern auf dem Podium Beethoven. Und vergisst dabei, dass gerade zeitgenössische Musik oft viel kleinere Apparate verlangt. 100 oder 200 neugierige Zuhörer fänden sich auch fürs Experiment. Aber das machen andere.

Wie die Münchner Gesellschaft für Neue Musik. Die lud zum Porträtkonzert in der Reihe "Verhört?" die Komponistin Diana Syrse in die Seidlvilla. Das Ensemble Coriolis spielt deren Musik, sie selbst singt auch dazu, ansonsten unterhält sie sich zwischen den Stücken mit Mary Ellen Kitchens. Es ist ein ziemlich fabelhafter Abend um eine junge Frau, die aus Mexiko stammt und hier in München bei Moritz Eggert Musiktheater studierte und schon für zahlreiche Opernhäuser und Theater Musik geliefert hat. Alles, was man an diesem Abend hört, ist letztlich Theater. Syrses Musik ist deutlich von außermusikalischen Einflüssen motiviert, vollkommen unideologisch und aufregend. Wichtig ist ihr neben einer Aussage die musikalische Energie. Die Musiker haben die.

Syrse vertont auch mal ein Gedicht in einer Maya-Sprache - da trifft das Streichquartett auf präkolumbianische Perkussion - oder lässt die Bratsche über einen elektronischen Teppich aus Worten, Geräuschen und harten Klängen schweben. "Asylum" entstand in München 2015 in der Zeit der Flüchtlingswelle als unmittelbare Umsetzung eines Eindrucks. Klaus-Peter Werani singt an seinem Instrument, legt auch harte Splitter über den Kontext der Realität. Syrses Kunst ist geprägt vom Konzept, nicht von innermusikalischen Diskursen. So weiß man dann beim abschließenden Triptychon "Connected Identities" nicht genau, ist das fabelhaftes Schmierentheater, von ihr selbst vorgetragen, oder ein aufregender Sonderweg in der Behandlung von Streichquartett und Stimme. Wahrscheinlich beides.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2020
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