Süddeutsche Zeitung

Konzert:Heimat in Bewegung

Sie ziehen von Ort zu Ort, haben gerade ihren Proberaum verloren und sind doch nicht so obdachlos wie jene Tagelöhner, die ihrer Band den Namen gaben: "Das Hobos". Nun kommen sie in die Milla

Von Jürgen Moises

Ein Wort wie Eisenbahnromantik, das wäre im 19. Jahrhundert allenfalls als Oxymoron möglich gewesen. Das heißt als die Zusammenführung von zwei widersprüchlichen Begriffen. Erschien die Eisenbahn mit ihrem Dampf, mit ihrer Schnelligkeit doch wie ein Sinnbild für die fortschreitende Industrialisierung und damit wie das Gegenteil zur romantischen Idealisierung der Natur, zur Flucht ins Phantastische oder in die Melancholie. Und heute? Werden nicht wenige beim Anblick einer Dampflokomotive nostalgisch, die nun, am Ende des Industriezeitalters, für dessen vermeintliche Einfachheit steht. Und für den verlorenen Glauben an einen ewigen Fortschritt. Womit wir bei "Random Home" wären, dem wunderbaren dritten Album von Das Hobos.

Also zumindest irgendwie. Denn um Züge dreht sich Vieles bei dieser nicht mehr komplett in München ansässigen, sondern mittlerweile auf München, Augsburg und Ludwigsburg verteilten Band, die ihr im Februar beim Münchner Label Schamoni Musik erschienenes Album "Random Home" am Mittwoch live in der Milla vorstellt. Auch den Proberaum in Buchloe gibt es nicht mehr. Das heißt die baufällige Eisenbahnerbaracke, in der Leo Hopfinger (Gesang, Gitarre, Mundharmonika), Tom Simonetti (Schlagzeug, Elektronik) und Frank Nägele (Gitarre, Bass, Synthesizer) früher jahrelang geprobt, improvisiert, ihre Lieder komponiert und aufgenommen haben. Denn das zugehörige Gelände sei von der Bahn an die Stadt Buchloe verkauft worden, erzählt Leo Hopfinger, der genauso wie Tom Simonetti auch bei den Formationen Rhytm Police und H aktiv ist. Und die Stadt habe den drei Musikern gekündigt.

"Mehr oder weniger sind wir als Band nun in dieser Hinsicht homeless", fährt der Musiker fort. Und in diesem Umstand schwingt durchaus eine leicht bittere Ironie mit. Schließlich steckt die Obdachlosigkeit, das Herumziehen von Ort zu Ort im Bandnamen, der auf den nordamerikanischen Mythos der in Güterzügen herumreisenden Tagelöhner (Hobos) anspielt. Der Albumtitel "Random Home" spiegelt diese Motivik ebenfalls wider, darüber hinaus stehe er aber auch für "eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff Heimat", aber auch dafür: "in Bewegung zu bleiben, dabei zu beobachten, zu reflektieren". Was für ihre Musik alles zentral sei. Ach ja, die Musik. Die präsentiert sich auf "Random Home" in Form von sieben Liedern und lebt wie auch das letzte Album "This Is The Place" (2014) vor allem von der Atmosphäre. Sie hat ein stark filmisches Flair und ist mit alltäglichen genauso wie popkulturellen Bruchstücken durchsetzt.

Eine Mischung aus Dub, Folk, urbanem Geister-Blues und wie es im Pressetext heißt "post-industriellem Ambient-Shoegazer" könnte man das in seiner Gesamtheit nennen. Basierend auf dem Prinzip der Collage, aber nicht in der digitalen, seelenlosen Form. Nein, hier knarzt und knistert es noch analog und melancholisch. Hier tauchen geisterhafte Stimmen oder Melodien aus dem Äther auf, Echos, deren Ursprünge sich nicht wirklich benennen lassen. Ganz ähnlich, wie man die Welt vom fahrenden Güterzug aus wahrnimmt. Also womöglich.

Was sich geändert hat, ist, dass die Stücke nun gezielter komponiert sind, während die Musiker früher eher versucht hatten, "diesen Hobo-Gedanken in Jamsessions" einzufangen. Das hat ganz sicherlich mit dem Verlust der Eisenbahnbaracke als Refugium zu tun. Dahinter mag aber auch ein Stück Professionalisierung stecken. Denn die Musiker, die hauptberuflich im sozialen Bereich oder in der kulturellen Bildung arbeiten, waren in den letzten Jahren nicht untätig. Sie haben im Jahr 2016 die Single "Cash Only" veröffentlicht, waren 2017 auf einem Konzerttrip in der Ukraine und haben dort unter anderem im Philharmonic Theatre Odessa im Rahmen des traditionsreichen Odessa Jazz Festivals sowie auf dem Vinnytsia Jazz Fest gespielt.

Letzteres wurde sogar live im ukrainischen Fernsehen übertragen. 2019 steuerten sie eine Komposition zum ARD-Radio-Tatort bei und werden das auch in diesem Jahr wieder machen. Ach und was das Thema Züge angeht: Als "Eisenbahnnostalgiker" sehen sie sich übrigens nicht. Das möchten die Musiker dann doch noch klar stellen. Trotzdem hört man auf "Random Home" am Ende minutenlang einen Zug rattern. Aber das passiert dann vielleicht doch nur rein des Sounds wegen. Es hört sich auf jeden Fall gut an.

Das Hobos: Random Home (Schamoni Musik), live am Mi., 4. März, 20 Uhr, Milla, Holzstr. 28

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Quelle:
SZ vom 04.03.2020
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