Süddeutsche Zeitung

Konkurrenz auf den Friedhöfen:Das letzte Angebot

"Eine würdevolle Bestattung muss nicht teuer sein": Sogenannte Billigbestatter werben um Kunden. Traditionsunternehmen sehen dies mit Sorge und werfen ihren Konkurrenten vor, unseriös und pietätlos zu arbeiten.

Katrin Bölstler

Nichts ist umsonst, nicht einmal der Tod. Und teuer kann er für die werden, die bei der Wahl der letzten Ruhestätte nicht nach dem Preis fragen oder sich ein Pauschalangebot aufschwatzen lassen. Es klingt makaber und auch absurd, denn eigentlich ist auf dem Bestattungsmarkt ein Preiskampf ausgebrochen. Dadurch ist die Zahl der Billigbestatter rasant gestiegen, doch nicht alles, was auf den ersten Blick günstig erscheint, ist preiswert.

Die Firma Aarau zum Beispiel hat zuletzt in München und Dachau Filialen eröffnet - zwei von 33 in Deutschland. Die Filialen bestehen zumeist nur aus einem Besprechungsraum, Kunden versucht Aarau, einer der größten Billigbestatter im Land, vor allem im Internet zu gewinnen. Nach eigenen Angaben bringt die Firma jährlich 1000 Menschen unter die Erde. Bei ihr ist die billigste Form der Bestattung die Feuerbestattung für 999 Euro, ein Schnäppchen. Das Unternehmen wirbt im Internet mit dem Slogan: "Eine würdevolle Bestattung muss nicht teuer sein". Und sie verspricht, dass keine versteckten Kosten mehr dazu kommen.

Gründer und Geschäftsführer Patrick Schneider ist gelernter Jurist, ein Geschäftsmann. Sein Ziel ist es, "durch niedrigere Preise mehr Kunden anzulocken und so am Ende durch die Masse mehr einzunehmen". Geschmacklos findet er das nicht, im Gegenteil. "Bestattungen sind eine Dienstleistung. Und für die Bestatter ist es eine Arbeit, um Geld zu verdienen", sagt Schneider. Er ist der einzige aus der Firma, der Auskunft gibt; die Mitarbeiter aus München oder Dachau verweisen fragende Journalisten an ihn.

Laut dem unabhängigen Internetportal bestattungen.de ist die Zahl der deutschen Billigbestatter in diesem Jahr von 420 auf 520 gestiegen. Schneider ist sich sicher, dass dadurch die Branche um einiges transparenter geworden ist. Schließlich sei es früher üblich gewesen, den Hinterbliebenen erst nach der Beerdigung eine Rechnung zuzuschicken, ohne vorher die Kosten abzusprechen. Damit sei jetzt Schluss, sagt Schneider: "Die Leute wollen heute wissen, was sie für ihr Geld bekommen, und das ist auch richtig so."

Für 999 Euro gibt es bei Aarau das Basis-Feuerbestattungs-Paket: einen Kiefernvollholzsarg mit Decke, Kissen und Sterbegewand. Im Preis enthalten sind das Einsargen und Einbetten des Verstorbenen, die hygienische Grundversorgung, die Abholung am Sterbeort, die Verbrennung, die Kosten der vorgeschriebenen zweiten Leichenschau, eine schlichte Stahlurne, die Erledigung der Formalitäten, die Organisation der Trauerfeier und die Überführung der Urne zu einem Friedhof in Deutschland. Dem Laien erscheint das Paket als faires Angebot, nicht jedoch dem Experten.

"Da nur der Endpreis und keine Einzelpreise aufgeführt sind, ist es nicht möglich, das Angebot mit anderen Offerten zu vergleichen", warnt Fabian Schaaf vom Portal bestattungen.de, das auf Anfrage Preisvergleiche erstellt. "Wir kritisieren, dass einige Billigbestatter bewusst die Unwissenheit ihrer Kunden ausnutzen", sagt Schaaf. Seiner Erfahrung nach gingen Kunden oft davon aus, dass ein Pauschalangebot alle obligatorischen Kosten enthalte. "Nicht selten treten dann jedoch nach Vertragsabschluss noch Kosten auf, über die vorher nicht geredet wurde", warnt Schaaf.

So würden etwa beim Angebot von Aarau bei der Position "Organisation der Trauerfeier" keine genauen Leistungen genannt. "Der unerfahrene Kunde könnte vermuten, dass mit 'Organisation der Trauerfeier' alle dazugehörigen Leistungen inkludiert sind. Mit hoher Wahrscheinlichkeit rechnen einige Anbieter jedoch Kosten für Dekoration oder Miete der Trauerhalle zusätzlich ab", vermutet Schaaf. All das müsse genau abgeklärt werden, rät er. "Irreführend ist auch, dass das Preisangebot nur die Eigenleistungen des Bestatters enthält, nicht aber die Friedhofs- und die Grabgebühren", erklärt der Münchner Bestatter Toni Hanrieder, zugleich Vorsitzender des Bestatterverbands Bayern. Welcher Sarg, welches Krematorium, Einzel- oder Sammeltransport - all das sei nicht ersichtlich.

Schneider wehrt sich gegen diese Vorwürfe und erklärt, dass in den Pauschalpaketen bei Aarau "grundsätzlich keine Friedhofsgebühren enthalten sind, da jeder Friedhof seine eigenen Gebühren hat". Die Kosten für Dekoration und Miete der Trauerhalle oder Kapelle müssten ebenfalls extra erhoben werden, da diese Posten in der Regel auch über den Eigner der Trauerhalle abgerechnet werden müssten.

Wenn man mit Bestattern aus dem Großraum München spricht, von denen sich freilich kaum einer namentlich zitieren lassen will, wird schnell deutlich, wie verärgert sie über die Discount-Konkurrenten sind. Von "Leichentourismus" ist da die Rede oder von der "unglaublich pietätlosen Art, mit den Toten umzugehen". Hanrieder hält es für die Crux seines Gewerbes, dass die Qualität eines Bestattungsunternehmens für einen Kunden, der sich mit dem Thema nicht auskennt, nicht immer sofort erkennbar sei.

Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt; jeder, der einen Gewerbeschein besitzt, kann sich "Bestatter" nennen - auch ohne die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft durchlaufen zu haben.

Dabei ist das Berufsbild des Bestatters heute weitaus komplexer als früher", bemerkt Hanrieder. "Es reicht vom psychologisch geschulten Berater über den einschlägigen Rechtsexperten bis hin zum geschulten Grabmacher." Zwar gesteht er jedem Hinterbliebenen das "gute Recht" zu, "über seinen Geldbeutel zu entscheiden".

Doch dürfe das nicht alles sein: "Es ist nicht möglich, zum Schleuderpreis Spitzenqualität zu bekommen, weder an Personal noch an Leistung." Traditionsunternehmen verlangten mehr, weil der Trauernde dort kompetent beraten werde, mit keinen versteckten Kosten rechnen müsse und sicher sein könne, dass das Personal in der Trauerbewältigung und im pietätvollen Umgang mit dem Verstorbenem geschult sei.

Solche indirekten Vorwürfe weist Aarau weit von sich. "Auch unsere Mitarbeiter sind geschult, nur arbeiten wir eben nach einem kostensparenden System", erklärt Schneider. In jeder Filiale sitzen nur ein bis zwei Mitarbeiter, Fahrten werden dezentral von einem Fahrerteam erledigt, statt Leichenwagen besitzt Aarau mehrere Lieferwagen, in die drei bis vier Särge aufeinandergestapelt werden können.

Die bringen die Leichen quer durch die Republik zu einem der drei Krematorien in Niedersachsen und Brandenburg, mit denen Schneider einen Rabatt ausgehandelt hat - aufgrund der Masse an Särgen, die er liefert. Einige der anderen Billig-Bestatter, so etwa die Berliner Firma "Sarg-Discount", gehen sogar noch einen Schritt weiter und fahren die Leichen in Krematorien in Tschechien. Das ist angeblich noch billiger.

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Quelle:
SZ vom 31.10.2011/sonn
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