Süddeutsche Zeitung

Konjunkturprognose der IHK:"Ein Patient auf wackeligen Beinen"

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Verhalten optimistische Konjunkturprognose der IHK: Trotz allmählicher Überwindung der Krise wollen Münchner Unternehmen weiter Stellen streichen.

O. Fritscher

Die Münchner Unternehmen blicken mit etwas mehr Optimismus in die Zukunft als noch im vergangenen Herbst. Allerdings ist die Zuversicht verhalten. "Es besteht die Gefahr, dass der Aufwärtstrend wieder an Tempo verliert", fürchtet Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der Münchner Industrie- und Handelskammer (IHK). Driessen trägt an diesem Donnerstagvormittag einen gedeckten Anzug, doch bei der Konjunkturpressekonferenz schlüpft er kurzerhand in eine andere Rolle: "Hätte ich einen Arztkittel an, würde ich jetzt sagen: Dem Patienten geht es besser, aber er steht noch auf sehr wackeligen Beinen."

So fasst Driessen die Ergebnisse einer Umfrage unter 3200 Betrieben in München und Bayern zusammen. Wie meistens stehen die Unternehmen in der Stadt wirtschaftlich besser da als die Firmen im übrigen Freistaat, und sie schätzen auch die Geschäftsaussichten für die kommenden Monate optimistischer ein. Grund ist die Struktur der Münchner Wirtschaft: Industrie, Handel und Dienstleistungen sind gut gemischt, was den Standort insgesamt weniger krisenanfällig macht. Die Hoffnungen der Unternehmen richten sich vor allem auf den Export.

"Von der Binnennachfrage sind kaum Impulse zu erwarten", sagt der IHK-Chef. Da in der Industrie die Kapazitäten vieler Firmen nicht ausgelastet sind, droht ein weiterer Personalabbau. Auch in München gibt es mehr Firmen, die Stellen streichen wollen, als Unternehmen, die neue Mitarbeiter suchen. 70 Prozent der Betriebe gehen für das nächste halbe Jahr von einem gleichbleibenden Personalstand aus, immerhin 19 Prozent der Firmen rechnen damit, Kündigungen aussprechen zu müssen. Personal aufstocken wollen dagegen nur elf Prozent. Immerhin hat sich der Trend beim Stellenabbau verlangsamt: Vor einem Jahr hatten noch 26 Prozent der Münchner Firma Personalabbau ins Kalkül gezogen.

Deutlich aufgehellt hat sich die Stimmung bei den Geschäfterwartungen: Zum Jahresbeginn 2009 rechneten nur zwölf Prozent der Münchner Firmen mit besseren Geschäften. Die Anzahl der Optimisten stieg dann aber von 14 Prozent im Sommer und 27 Prozent im Herbst 2009 auf aktuell 30 Prozent. Dabei stellt sich die Lage in den einzelnen Branchen unterschiedlich dar. "Am stärksten ist nach wie vor die Industrie unter Druck", sagt Driessen. Zwar habe sie sich von den schwersten Produktionseinbrüchen etwas erholt, aber nach wie vor klagt die Hälfte der Betriebe über eine unzureichende Auslastung. Die Industrie hofft auf neue Aufträge aus dem Ausland. Mit freundlicher Stimmung gehen besonders die in München stark vertretene pharmazeutische Branche, aber auch der Maschinenbau in die nächsten Monate.

Gemischte Gefühle herrschen laut Driessen im Baugewerbe, das weitere Auftragseinbrüche fürchtet. "Das überrascht, da die Konjunkturprogramme eigentlich zusätzliche Nachfrage auslösen sollten", wundert sich Driessen. Aber die Kommunen hätten ihre Aufträge offenbar nicht in dem Maß ausgeweitet, wie von der Baubranche erhofft. Als Stütze des Mini-Aufschwungs in der Stadt erweisen sich erneut die Dienstleister.

"Insgesamt agieren die Unternehmen noch immer sehr vorsichtig, und es wird einige Zeit brauchen, bis wieder das Niveau vom Frühjahr 2008 erreicht ist", sagt Driessen. Damals hatte die Boom-Phase ihren Höhepunkt. Wann der Wirtschaftsmotor wieder so hochtourig läuft, darauf will sich Driessen nicht festlegen. "Es könnte sogar bis 2014 dauern."

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SZ vom 12.02.2010
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