Süddeutsche Zeitung

Konfessionsübergreifend:Das Fach Religion neu erfinden

Nicht nur zu Corona-Zeiten könnten alle Schüler gemeinsam und notenfrei unterrichtet werden

"Im Namen des Vaters und aller anderen" vom 11. November:

"Konfessionsübergreifender Religionsunterricht (...) wirft Fragen auf" untertitelte die SZ den Artikel über coronabedingt neue Unterrichtsmöglichkeiten in Bayern.

Auch mir stellen sich Fragen, allerdings ganz andere als Ministern und Lehrkräften. Wie kann, wie Herr Geißdörfer anführt, das "klassenbezogene Unterrichten" in diesem Fach "schwerfallen", weil sich die Kinder im getrennten Unterricht "ernst genommen fühlen vor ihrem eigenen Hintergrund"? Sollte es nicht so sein, dass sich die Schüler in jedem Unterrichtsfach und von jeder Lehrkraft, überhaupt in ihrem Schülersein mit egal welchem Hintergrund, immer ernst genommen fühlen können? Das Miteinander der Nationen und Konfessionen ist im (schulischen) Leben bereits Alltag. Wie kann ein Religionsunterricht das Verständnis füreinander durch Separierung vergrößern wollen? Sind die Erfahrung des Aufgehobenseins in einer gleichartigen Wertegemeinschaft und echter Austausch persönlicher Glaubensfragen und Lebenserfahrung überhaupt möglich, solange ein "allmächtiger" Religionslehrer Schulnoten darauf gibt? Wenn es, wie ich es am Religionsunterricht meiner drei Söhne beobachte, meist nur um abfragbare Fakten und Heftführung geht, könnte man den Unterricht dann nicht sowieso für alle gleichzeitig anbieten? Und wenn es um echten Dialog zwischen Menschen (Lehrern und Schülern) gehen soll, muss dann nicht der Unterricht gemeinsam stattfinden? Warum nicht endlich die vorhandenen Ressourcen erkennen und jüdische, muslimische, jesidische, hinduistische Klassenkameraden in respektvoller Atmosphäre von ihrem Glauben und ihrer Kultur erzählen lassen? Wann endlich wird ein gemeinsamer, respektvoller, bewertungsfreier Unterricht für friedliches Zusammenleben, Streitschlichtung, Dialog, Austausch, Gemeinsamkeiten der Religionen und Stärkung des Individuums den strukturellen Separatismus ablösen? Elke Zörntlein, Lörzweiler

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Quelle:
SZ vom 23.11.2020
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