Süddeutsche Zeitung

Konferenz "Architecture Matters":"Wir sind nun mal alle Player der Immobilienbranche"

In München treffen sich Politiker, Architekten und Investoren, um auf einer Konferenz um über den Immobilienmarkt zu sprechen. Einig ist man sich immerhin darin, dass Wohnen zu teuer ist.

Von Alex Rühle

Ein Investor, ein Architekt, eine Politikerin und ein Endverbraucher, auch Mieter genannt, treffen sich an einer Baugrube. Der Investor sieht ein gewinnbringendes Produkt. Der Architekt träumt von einem schönen Haus. Die Politikerin zählt Regeln und Vorschriften auf. Und der Bürger sieht, dass das für ihn alles ohnehin zu teuer wird. Am Ende starren sie gemeinsam auf das leere Loch, dessen Wert sich in der Zwischenzeit schon wieder vermehrt hat.

So könnte man die Konferenz "Architecture Matters" zusammenfassen, zu der am vergangenen Freitag das Münchner Büro Plan A geladen hatte. Architecture Matters setzt sich seit 2016 die löbliche Aufgabe, die getrennten Sphären der Architektur, der Politik und der Investoren, die sonst nur reihum aufeinander schimpfen, wenigstens für einen Tag zusammenzubringen, um konstruktiv über Architektur und Stadtplanung nachzudenken. Schließlich, so die Veranstalterin Nadin Heinich von Plan A, sei die "passive Haltung der Architekten" genauso wenig zielführend wie das "Geschimpfe der Feuilletons über Investorenarchitektur". Diesmal ging es um das wohl schwierigste aller Themen: das Geld. Für wen wird gebaut? Warum kostet das alles so viel? Und warum ist das mittlerweile gesellschaftlicher Sprengstoff?

Der Architekt Reinier de Graaf vom Rotterdamer OMA-Büro sagte eingangs, das Kernproblem sei, dass die meisten Investoren Immobilien nicht als Wohnorte, sondern als Wertanlagen sehen. Die Politik dachte, das regelt sich von alleine, und zog sich aus der Wohnungspolitik in den letzten 30 Jahren immer weiter zurück. Von alleine sind dann nur die Preise explodiert: Der Stadtsoziologe Andrej Holm rechnete vor, dass der Kaufpreis für bebaute Grundstücke zwischen 2009 und 2017 in Berlin um 235 Prozent gestiegen ist. Die daraus folgende soziale Segregation qua Miete ist längst mit Händen zu greifen. Holm schätzt, in Deutschland fehlten heute zwei Millionen leistbare Wohnungen.

Um nun nicht wieder feuilletonesk zu schimpfen, hier die positive Erkenntnis aus dem hochklassig besetzen Sprecherpanel: Wenn selbst ein Großinvestor wie Ulrich Höller von der German Estate Group, der sehr selbstbewusst sein beeindruckendes Gebäudeportfolio aufblätterte, mittlerweile sagt, die Politik solle ihm und seinen Bauherrenkollegen endlich strengere Rahmenbedingungen setzen, dann muss schon mächtig was faul sein im Gebälk.

Und wenn von Andrej Holm über die Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk bis hin zum Münchner Premiumbaumogul Stefan Höglmaier alle über die viel zu hohen Bodenpreise klagen, dann darf vielleicht doch irgendwann die Hoffnung keimen, dass sich endlich auch die eine oder andere Partei traut, über eine Grundsteuer zu reden, die nach dem Scheitern der Mietpreisbremse der einzige Hebel zu sein scheint, über den die horrenden Steigerungsraten der Bodenpreise zu lindern wären.

So wie es der Münchner Bürgermeister Hans-Jochen Vogel schon 1972 forderte, als er konstatierte: "Die rasch ansteigenden Bodenwertzuwächse und die ebenso rasch ansteigenden Bodenrentenerträge konzentrieren sich in wenigen Händen." Der Begriff der Gentrifizierung war da noch gar nicht erfunden. Und es tummelten sich, anders als heute, auch nicht 60 bis 80 Prozent internationale Investoren auf dem deutschen Immobilienmarkt, wie Ulrich Höller anmerkte.

Angebote mit Münchner Monatsmieten zwischen 5000 und 10120 Euro

Die ehemalige Münchner Stadtbaurätin Christiane Thalgott hakte als Moderatorin bei dieser Zahl ein: Deutschland sei ja als Standortfaktor auch deshalb so interessant für internationale Investoren, weil hier noch sozialer Frieden herrsche. Ob Höller, der mit seinen hochpreisigen Objekten so viele Menschen aus der Stadt dränge, nicht soziale Verantwortung dafür verspüre, dass das auch so bleibe? "Ja klar", sagt Höller, soziale Verantwortung, unbedingt. Aber, und damit stahl er sich dann sofort wieder aus jeder nur möglichen Verantwortung, "wir sind nun mal alle Player der Immobilienbranche, die einfach nur auf Rahmenbedingungen reagiert". Kurzum, die Investoren werden von sich aus nichts ändern. Der Staat wird sich in Zukunft schon selber einmischen müssen.

Gute Laune kam bei dem komplexen Thema eigentlich nur einmal auf: Als Erion Veliaj, der junge Bürgermeister von Tirana, davon erzählte, wie er seine doch relativ runtergewohnte Stadt verschönere. Autos raus. Grüngürtel um die Stadt. Fassadenverschönerung. Bürgerbeteiligung. Vieles davon mag Schönfärberei sein, aber da sprach zumindest ein Politiker mit einer mutigen Vision, der zudem der Architektur große soziale Verantwortung und Gestaltungskraft zusprach. Im Halbdunkel des Auditoriums lächelte Reinier de Graaf, der sich zuvor gewundert hatte, dass die Architektur seit dem Fall der Mauer alle größeren städteplanerischen Visionen habe fahren lassen: Kein einziges ernst zu nehmendes urbanistisches Manifest, so de Graaf, sei nach 1990 noch erschienen.

Nach der Konferenz bot draußen vor dem Lenbachpalais ein Verkäufer die Abendzeitung vom Samstag an. Die dokumentierte auf einer Doppelseite Münchner Wohnungen, die für Monatsmieten zwischen 5000 und 10 120 Euro angeboten werden.

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SZ vom 12.03.2018/axi
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