Theaterkritik:In Brand gesetzt

Theaterkritik: Trotz Scheidung passt es Robert (Rüdiger Joswig, rechts) nicht, wenn seine Ex-Frau Elli (Claudia Wenzel) mit ihrem Liebhaber (Armin Riahi) turtelt.

Trotz Scheidung passt es Robert (Rüdiger Joswig, rechts) nicht, wenn seine Ex-Frau Elli (Claudia Wenzel) mit ihrem Liebhaber (Armin Riahi) turtelt.

(Foto: Andreas Baethe)

In der Komödie im Bayerischen Hof hat die Weihnachtsfarce "Alle unter eine Tanne" Premiere.

Von Barbara Hordych

Dieses Paar, das wird vom ersten Moment an klar, könnte unterschiedlicher kaum sein. Die Psychotherapeutin und Bestsellerautorin Elli (Claudia Wenzel) beäugt verächtlich den zerschlissenen Koffer des "alten Mannes", der am Weihnachtsmorgen in ihrem Heim auftaucht. Keine Frage, dieser "Sparfuchs", der die kaputten Lämpchen in der Lichterkette herausschneidet und durch Lüsterklemmen ersetzt ("deshalb war Weihnachten bei uns immer so düster"), passt nicht mehr in ihr Leben. Da kann ihr Ex, der von Rüdiger Joswig verkörperte Arzt Robert, noch so oft beteuern: "Meine Mutter besaß in ihrem ganzen Leben nur eine Brosche aus Granat und war dennoch eine glückliche Frau."

Trotzdem sind Elli und Robert entschlossen, in ihrem ehemals gemeinsamen Zuhause ihre alljährliche Vision eines harmonischen Weihnachtsfests zu feiern, getreu dem Vorsatz: "Alle unter eine Tanne." So auch der Titel der Weihnachtsfarce nach der gleichnamigen Fernsehkomödie von Kabarettist Lo Malinke aus dem Jahr 2014, die Regisseur Urs Schleiff als Potpourri von Pointen in der Komödie im Bayerischen Hof inszeniert.

Erschwerend kommt hier allerdings der Umstand hinzu, dass sich das ungleiche Paar bereits vor drei Jahren nach 40-jähriger Ehe hat scheiden lassen. Und beide ihre neu gewonnene Freiheit längst mit anderen - und jüngeren - Partnern genießen. Nur haben die Ex-Eheleute bislang vermieden, dies ihren drei erwachsenen Kindern mitzuteilen. Stattdessen wollen sie ihnen ein Heile-Welt-Szenario vorspielen, eine "Schmierenkomödie", die ihre neuen Partner indes nicht länger hinnehmen wollen.

Und schon überschlagen sich in schönster Boulevard-Manier die Ereignisse: Die einen kommen zu früh (Katrin Filzen als Tochter Sanne mit Ralf Komorr als Ehemann Heiner), der andere will nicht gehen (Armin Riahi als Ellis Fahrlehrer und 20 Jahre jüngerer Liebhaber Micha), und dann erscheint eine, die niemand eingeladen hat (Viola Wedekind als Roberts Sprechstundenhilfe und Langzeitaffäre Chrissi). Höchst passend wird dazu der Baum in Brand gesetzt.

Was zunächst als Rollentausch-Komödie angelegt ist - denn Elli spannt flugs Chrissi und Micha als vermeintliches Paar zusammen - stößt in puncto Einfallsreichtum im zweiten Teil an seine Grenzen. Und doch: Das versierte und vergnügt aufspielende Darsteller-Ensemble, allen voran die Ex-Eheleute Wenzel und Joswig, sympathisch flankiert von ihren neuen Partnern Riahi und Wedekind, meistern auch die weniger kurzweiligen Strecken.

Fazit: Das Bedürfnis, sich in der Adventszeit mit der Erkenntnis zu trösten, dass woanders unterm Weihnachtsbaum alles noch viel chaotischer verläuft als unter der eigenen Tanne, ist groß. Entsprechend häufig gab es Lacher und Szenenapplaus in diesem Weihnachtsstück, das auf Dialogwitz setzt, den ein oder anderen besinnlichen Moment nicht scheut, dabei aber jede Rührseligkeit vermeidet.

Alle unter eine Tanne, bis 1. Januar 2023, Komödie im Bayerischen Hof

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: