Kommunalwahl in München:Viral gewinnt noch keine Wahl

Kommunalwahl, CSU, München

Die bunten Textplakate von CSU-Kandidat Josef Schmid laden zur Nachahmung ein.

(Foto: Robert Haas)

Die Plakatkampagne des CSU-Kandidaten Josef Schmid wird derzeit gleich von mehreren Parteien in München kopiert und parodiert. Doch dass mit einem viralen Erfolg noch keine Wahl gewonnen ist, davon kann Christian Ude ein Lied singen.

Von Dirk von Gehlen

Viral ist, wenn es gelingt ins Gespräch zu kommen. Wäre dieser Text ein Plakat, müsste sein Anfang sehr groß auf eine einfarbige Fläche geschrieben werden und das Satzende kleiner drunter. Wenn man dazu in Weiß oben hin "Josef Schmid - Ihr OB für München" schriebe, höbe man die Laune im Wahlkampfbüro des CSU-Kandidaten. Das ändert sich auch dann nicht, wenn in diesem offiziellen Plakat-Design der CSU eher weniger christsoziale Sätze verbreitet werden wie: "Schwarz ist, wenn man denkt, dass man Probleme einfach vergraben kann". Oder: "Dumm ist, wenn man im Wahlkampf viel mehr verspricht, als man halten kann".

Genau das hat am Wochenende ein engagierter Grünen-Wähler getan und diese Plakatentwürfe an die grüne OB-Kandidatin Sabine Nallinger geschickt. Diese hat die adaptierten CSU-Plakate am Wochenende auf ihre Facebook-Seite gestellt ("95 Personen gefällt das"). Sie will das als Hinweis darauf verstanden wissen, dass sie keine Sympathie für Schwarz-Grün hegt.

Auch die ÖDP, die Aubinger SPD und die Wählergruppe Hut haben Gefallen an der Kampagne des CSU-Kandidaten gefunden - und erweisen ihm nun (indirekt) einen Gefallen: Sie alle adaptieren und verbreiten die Motive, die Schmid auf seiner Website als "Welle II" beschreibt und in so großer Zahl in der Stadt plakatiert hat, dass jedem klar ist, auf wen sich die Plakat-Kopien der Konkurrenz beziehen.

Wunschtraum aller Wahlstrategen

Viral ist der große Wunschtraum aller Wahlkampfstrategen. Denn viral bedeutet eine Verbreitung wie ein Schnupfen: Jeder ist betroffen, jeder kann die Botschaft weitergeben. Der Kandidat ist im Gespräch. Das Problem mit der Viralität ist: Sie lässt sich kaum planen und nur schwer steuern. Im Wahlkampf-Team der SPD weiß man das sehr genau.

Als die Sozialdemokraten im vergangenen Jahr gemeinsam mit einer Salzburger Werbeagentur überlegten, wie ihr Spitzenkandidat Christian Ude vor der Landtagswahl positioniert werden sollte, hofften sie genau auf einen solchen viralen Effekt: Ude wurde auf seinen Plakaten mit dem Begriff "Wort" in den Händen gezeigt.

Die "Halten"-Kampagne ging zwar viral, wie das in der Sprache der Werber heißt, aber nicht im Sinne des Kandidaten auf: Statt beim "Wort halten" sah man Ude im Netz bald eher beim "Klappe halten" oder "Diät halten". (Eine Sammlung dieser Motive findet sich im Netz unter udeholdingthings.tumblr.com.)

Für einen viralen Wahlsieg reichte das im Herbst bekanntermaßen nicht; in der Sprache der sozialen Netzwerke ließe sich sagen: 20,6 Prozent gefiel das. Und genau dieser Misserfolg der Ude-Kampagne ist nun ironischerweise die Hoffnung von SPD-Kandidat Dieter Reiter, dessen Plakate mit dem Slogan "Damit München München bleibt" kaum virale Anknüpfungsmöglichkeiten bieten.

Christian Ude war zwar, wie jetzt der CSU-Kandidat Schmid, im Gespräch, in Stimmen konnte er dieses Gerede allerdings nicht umsetzen. Denn bei aller Begeisterung für Viralität: Der Satz, der bei jeder Wahl gilt, lautet: Oberbürgermeister ist - wer die meisten Stimmen gewinnt.

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