Stadtrat Alexander Reissl:Der erfolgreiche Überläufer

Reissl

Der frühere SPD Fraktionschef Alexander Reissl ist zur CSU gewechselt - und hat den Wiedereinzug in den Stadtrat geschafft.

(Foto: Stephan Rumpf; Stephan Rumpf;)

Alexander Reissl hat als einziger Kandidat nach dem Parteiwechsel den Einzug geschafft - in seiner neuen Partei, der CSU, fühlt er sich ziemlich schnell ziemlich wohl.

Von Heiner Effern

Dass Alexander Reissl nach einer Kommunalwahl wieder dem Stadtrat angehört, das kommt seit 20 Jahren in etwa so überraschend wie der Ostersonntag nach der Fastenzeit. Dennoch ist es für den 64 Jahre alten Routinier noch mal ein kompletter Neustart. "Jetzt bin ich auch gewählter CSU-Stadtrat", sagt Reissl.

Zum ersten Mal, mehr als 45 Jahre war er Mitglied der SPD. Im vergangenen Herbst sorgte der damalige Fraktionschef für ein Erdbeben, als er zur CSU wechselte. Für die wird er nun die kommenden sechs Jahre wirken, und das auch bald als Parteimitglied. "Ich werde eintreten. Da will man auch etwas zurückgeben, ein Dankeschön."

Die CSU habe ihn nicht nur "freundlich, nett und konstruktiv" aufgenommen, wie er sagt. Sie hat ihn bei der Aufstellung ihrer Kandidatenliste für den Stadtrat auch so behandelt. Mit Rang zwölf hatte er einen sicheren Platz, den er selbst als jahrzehntelanger Sozi sogar fast halten konnte. Nur eine Position haben ihn die Münchner nach hinten gewählt.

Ob ihn einige CSU-Anhänger bei der Wahl gestrichen und dafür alte SPD-Freunde gewählt haben, das weiß Reissl nicht. Mit seiner Wahl bildet er die große Ausnahme unter den Parteiwechslern der auslaufenden Amtszeit: Rekordverdächtige zwölf Stadträte haben ihre politische Heimat im Frust verlassen, neun haben einen neuen Anlauf mit einer neuen Partei genommen. Reissl hat als einziger den Einzug geschafft.

Im Wahlkampf habe er sich "bescheiden eingereiht" unter die künftigen Parteikollegen der CSU im Münchner Norden, sagt Reissl. Auch im Straßenwahlkampf. Ob er nach 45 Jahren aus Versehen einmal ganz automatisch einen Stand der SPD angesteuert hat? Da muss Reissl lachen. "Man kennt sie an den Farben ganz gut auseinander", sagt er.

"Jeder hat seine Motive gehabt. Ich habe meines."

Dass er der einzige politisch Überlebende unter den Parteiwechslern ist, das ist Reissl noch gar nicht aufgefallen. "Jeder hat seine Motive gehabt. Ich habe meines." Nicht nur die Fraktion, auch die gesamte SPD habe sich so verändert, dass er einen ganz neuen Weg ging. Aufhören mochte er nicht, denn die Arbeit im Stadtrat findet er nach wie vor spannend. "Ich werde sie ernsthaft weiter betreiben", kündigt er an.

In welcher Rolle dies bei der CSU sein wird, muss sich erst zeigen. Da aber seiner Fraktion viele neue Stadträte angehören werden, könnte es für die CSU viel wert sein, wenn er sein immenses Wissen und seine Erfahrung weiter gäbe. "Wenn die Bereitschaft da ist, das anzunehmen, mache ich das", sagt Reissl. Er wolle sich aber keineswegs als Besserwisser aufdrängen.

Reissl wäre wohl auch für die SPD in den Stadtrat gekommen, im Aufstellungsverfahren sah alles nach einem sehr guten Listenplatz für ihn aus. "Ob es so gekommen wäre, werden wir nie erfahren", sagt er heute. Mitten im Prozess gab er den Wechsel bekannt. 1978 zog der heutige Angestellte der Stadtsparkasse für die Sozialdemokraten erstmals in den Bezirksausschuss Moosach ein. Zwölf Jahre leitete er diesen, bevor ihn 1996 die Münchner in den Stadtrat wählten. In der Fraktion gewann er zunehmend an Gewicht, 2008 wählten ihn die Kollegen zum Chef.

Das blieb er auch nach der Abwahl von Rot-Grün 2014. Doch je länger die Amtszeit andauerte, desto mehr entfremdeten sich Reissl und seine Fraktion. Und desto mehr verzweifelte Reissl am Zustand der SPD im Land und im Bund. Bei der letzten Wahl zum Fraktionschef brauchte er zwei Durchgänge, im Herbst 2019 mochte er nicht mehr. Das galt aber nur für seine damaligen Parteikollegen, die Arbeit für die Bürger schätzt er sehr. "Ich habe 15 Jahre extrem viel Zeit investiert", sagt er. Und das gerne.

In den kommenden Jahren wird das Engagement nicht mehr ganz so intensiv sein, weil er als Neuling von der SPD bei der CSU keine Spitzenposition bekleiden werde. "Das steht mir nicht zu, das ist in Ordnung." Das heißt aber nicht, dass er in seiner neuen Fraktion nicht auch seine Meinung einbringen werde. Dass er stets eine starke hat, das weiß die CSU, seit mehr als 20 Jahren.

Zur SZ-Startseite

Politische Seitenwechsel
:Heute hier, morgen dort

Wer im Stadtrat unzufrieden ist, sucht sich eine neue Partei

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: