Kommunalwahl in München:Sprachlose Kandidaten

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Auf in den Dreikampf, von links: Kristina Frank (CSU), Dieter Reiter (SPD) und Katrin Habenschaden (Grüne). (Foto: Schellnegger)

Katrin Habenschaden, Kristina Frank und Dieter Reiter sind die drei aussichtsreichsten Bewerber für das Oberbürgermeisteramt: Wir haben sie gebeten, politische und persönliche Fragen zu beantworten - ganz ohne Worte.

Von Dominik Hutter (Text) und Alessandra Schellnegger (Fotos)

Katrin Habenschaden kommt mit einer Stofftasche voller Accessoires - Baustellenhelm, Hammer, ein Zollstock, Theaterschminke. Und ein Ziegelstein, der aber dann doch nicht zum Einsatz kommt.

Kristina Frank hat sich schon einmal das Dirndl angezogen, im Gepäck befinden sich aber auch noch die Rocker-Lederjacke, eine Kostümjacke und diverse Spielsachen.

(Foto: N/A)

Dieter Reiter sieht auf den ersten Blick aus wie immer, die Luftgitarre muss als Requisite reichen. Der Oberbürgermeister wird aber später sein Sakko ausziehen und wilde, nachdenkliche oder auch erleichterte Posen einnehmen.

Fototermin im SZ-Hochhaus an der Hultschiner Straße - es gilt, die drei aussichtsreichsten Kandidaten für das Münchner Oberbürgermeisteramt als Personen kennenzulernen. Wie präsentieren sie sich ganz ohne Worte, wenn ihnen in Anlehnung an die aus dem SZ-Magazin bekannte Rubrik "Sagen Sie jetzt nichts" Fragen gestellt werden? Persönliche, politische und halbpolitische.

Die Regeln bei der Session im improvisierten Fotostudio im 25. Stock sind für alle gleich: Alle Fragen sind vorher bekannt, damit sich jeder so darstellen kann, wie er sich selbst sieht - eine Überrumpelung ist nicht vorgesehen. Und: Was mit ins Bild soll, darf von zu Hause oder aus dem Büro mitgebracht werden.

(Foto: N/A)

Es ist offensichtlich, dass keiner der drei unvorbereitet vor die Kamera tritt. Dass das Ganze nicht nur Wahlkampfstress bedeutet, sondern auch Spaß macht, versichern anschließend alle drei unisono.

Obwohl die Politik-Models bis dahin zwischen eineinhalb und zwei Stunden posiert hatten. Und zumindest Habenschaden aufwendig das Rocker-Make-Up aus ihrem Gesicht entfernen musste.

(Foto: N/A)

Es ist das erste Mal seit den Tagen des ersten Nachkriegs-OB Thomas Wimmer, dass ein Dreikampf um das höchste Amt in der Münchner Kommunalpolitik stattfindet. Bislang haben SPD und CSU diesen Wettbewerb allein unter sich ausgetragen. Bei recht eindeutiger Tendenz: Mit Erich Kiesl hat es nur ein einziges Mal ein Christsozialer auf den Chefposten im Rathaus geschafft, von 1978 bis 1984.

Alle anderen Oberbürgermeister hatten ein SPD-Parteibuch - von Wimmer über Hans-Jochen Vogel, Georg Kronawitter (der Vorgänger wie Nachfolger Kiesls war) und Christian Ude bis zum aktuellen Amtsinhaber Reiter. Ude fuhr dabei Ergebnisse bis 66,8 Prozent ein (2008), Vogel kam 1966 sogar auf 78 Prozent.

Derart eindeutige Ergebnisse erwartet am 15. März 2020 kein einziger Beobachter. Die Frage lautet: Erreicht einer der Kandidaten gleich auf Anhieb eine absolute Mehrheit der Stimmen? Oder müssen die Münchner am 29. März noch einmal an die Urne - zur Stichwahl nämlich, an der dann die Entscheidung zwischen den beiden stärksten Bewerbern fällt.

(Foto: N/A)

Reiter ist seit 2014 im Amt, damals musste er als Neuling mit 40,4 Prozent der Stimmen in die Stichwahl gegen den etablierten CSU-Herausforderer Josef Schmid, der mit 36,7 Prozent nicht allzu weit hinten lag. Das Ergebnis lautete: 56,7 Prozent für Reiter, 43,3 für Schmid.

Dass diesmal die Grünen auf Augenhöhe mitmischen, hat nicht zuletzt mit dem bundesweiten Höhenflug dieser Partei zu tun, deren Stadtratsfraktion sich ebenfalls auf deutlichen Zuwachs einstellt. Ob das auch so kommt, wird erst der 15. März zeigen. 2014 erreichte die damalige Grünen-Kandidatin Sabine Nallinger 14,7 Prozent, was bereits mehr als eine Vervierfachung im Vergleich zu 2008 bedeutete.

(Foto: N/A)

Weder Habenschaden noch Frank haben schon einmal für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert. Für Reiter wiederum ist es der zweite und aller Voraussicht nach auch letzte Wahlkampf. Denn die nächste turnusmäßige Kommunalwahl in München findet erst 2026 statt. Dann aber ist Reiter bereits oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze, die 2014 auch seinen Vorgänger Ude ereilt hatte.

Von diesem Schicksal sind die beiden Herausforderinnen noch weit entfernt. Die gebürtige Münchnerin Kristina Frank ist 38, die in Nürnberg geborene (und seit mehr als 20 Jahren in München wohnende) Katrin Habenschaden 41 Jahre alt. Dieter Reiter, in Rain am Inn geboren und im Kindesalter nach München gekommen, zählt 61 Jahre.

Im offiziellen Wahlvorschlag für die Wahl des Oberbürgermeisters sind die Kandidaten mit folgenden Berufsbezeichnungen aufgeführt: Oberbürgermeister (Reiter), Kommunalreferentin und Bezirksausschussmitglied (Frank; in Neuhausen-Nymphenburg) sowie Diplom-Betriebswirtin und Stadträtin (Habenschaden).

(Foto: N/A)

Zu den alten Stadtratshasen, die schon mehrere Jahrzehnte Kommunalpolitik auf dem Buckel haben, zählt keiner der drei Kandidaten. Reiter war nie einfaches Stadtratsmitglied. 2014 kandidierte er aus der Position des Wirtschaftsreferenten heraus, zuvor war er in der Stadtkämmerei tätig gewesen, eine klassische Verwaltungslaufbahn also zunächst.

Die Bankkauffrau sowie Wald- und Wildnispädagogin Habenschaden kam 2014 in den Stadtrat. 2018 rückte sie an die Fraktionsspitze, als ihre Vorgängerin Gülseren Demirel in den Landtag wechselte.

Frank war früher Richterin und Staatsanwältin. 2014 wurde sie in den Stadtrat gewählt, vier Jahre später übernahm sie den Chefposten im Kommunalreferat.

Die drei Kandidaten sind auch die jeweiligen Listenführer ihrer Partei für den Stadtrat. Der Sieger der OB-Wahl tritt allerdings sein Stadtratsmandat nicht an. Denn der Oberbürgermeister wird direkt von den Münchnern gewählt. Die beiden Bürgermeister, seine Stellvertreter, werden hingegen vom Stadtrat aus den eigenen Reihen heraus bestimmt.

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