Oberbürgermeister Reiter:Ein Sieger im Krisenmodus

Oberbürgermeister Reiter: Dieter Reiter am Sonntagmittag bei der Stimmabgabe.

Dieter Reiter am Sonntagmittag bei der Stimmabgabe.

(Foto: Robert Haas)

Wegen Corona blieb kaum noch Zeit für Wahlkampf. Geschadet hat das Dieter Reiter offenbar nicht - auch wenn gut zwei Prozent zur absoluten Mehrheit fehlen.

Von Dominik Hutter

Der Wahlsieger lässt sich Zeit, als er gemütlich zu Fuß über den Harras geht. Dieter Reiter hat nicht lange bangen müssen an diesem Abend, zu keinem Zeitpunkt - der Amtsinhaber lag die ganze Zeit uneinholbar vorne. "Ich gebe zu: Zwei Prozent mehr wären noch gut gewesen", sagt er im typisch humoristischen Reiter-Jargon und grinst dazu. Dann hätte er sich die Stichwahl erspart. Aber bei fast 48 Prozent, klar, gibt es nichts zu mäkeln, auch wenn in den vergangenen Wochen in SPD-Kreisen Optimismus aufgekommen war, es doch noch ohne zweiten Wahlgang zu schaffen.

Das wäre allerdings schon rein arithmetisch schwer gewesen: Zwei Gegenkandidatinnen um die 20 Prozent, dazu eine Vielzahl von aussichtslosen kleinen Mitbewerbern, da muss man sich schon strecken, um die 50-Prozent-Marke zu knacken. Für die Stichwahl ist Reiter optimistisch: Mehr Stimmen als Kristina Frank und Katrin Habenschaden zusammen, dazu mutmaßlich die Präferenz der ausgeschiedenen Grünen - da ist es nicht vermessen, die eigene Favoritenrolle zu betonen.

Trotzdem hat sich Reiter den Wahltag wohl anders vorgestellt. Wie alle Münchner. Und das liegt, natürlich, vor allem am Coronavirus. Reiter ist ja nicht nur Oberbürgermeisterkandidat, sondern auch noch Oberbürgermeister - und hat vermutlich in den vergangenen Tagen mehr Zeit im Corona-Krisenstab verbracht als am SPD-Infostand oder bei seiner Familie.

Als der Amtsinhaber am Sonntagnachmittag zu seinem Sendlinger Wahllokal spaziert, kommt er gerade aus dem städtischen Krisenstab. Um nach dem Kreuzerlmachen gleich weiterzueilen in die nächste Corona-Runde mit der Staatsregierung. Reiter hatte seinen Terminkalender ohnehin eher sparsam mit Wahlkampfterminen bestückt. In den letzten Tagen aber war es ganz vorbei gewesen mit der politischen Eigenwerbung. Die Rolle als Krisenmanager hatte Vorrang. Und wird es vermutlich noch länger haben.

Reiter sagt ganz offen, dass es zeitlich gerade schwierig wird mit den Bündnisgesprächen - die nach dem für die Sozialdemokraten weniger erfreulichen (Zwischen)-Ergebnis der Stadtratswahl nun anstehen. Aber wenn man schon seine Pressekonferenz zur Wiederwahl nachts auf die offene Platzfläche des Harras verlegen muss, um keine infektiöse Enge zu erzeugen, wirkt die Aussicht auf Hinterzimmergespräche in dicht gedrängter Tischrunde nicht sehr zeitgemäß.

Für Reiter ist dieser Abend einer der Höhepunkte in einer eher kurzen Politik-Karriere - die dafür ziemlich steil verlief. Denn der 61-Jährige hat den Großteil seines Berufslebens in der Verwaltung verbracht, zuletzt in der semipolitischen Position des Wirtschaftsreferenten. Bis ihn der damalige OB Christian Ude anrief, der auf der Suche nach einem Nachfolger war. Die Wahl 2014, das steht außer Frage, war für Reiter viel schwieriger als die jetzige.

Damals musste er als eher unbekannter Nachfolger eines langjährigen Platzhirschen gegen einen etablierten Oppositionsführer antreten. Diesmal pflegte er parallel ein Image als Macher und als erfahrener Rathauschef. Zupass kam ihm seine Leutseligkeit und die auch beim politischen Gegner anerkannte Einschätzung, dass in der sechsjährigen Amtszeit keine allzu gravierenden Pannen nachweisbar sind. Dafür ein zupackender, manchmal ein wenig hemdsärmeliger Politikstil.

Dazu kommt der erst im Nachhinein glückliche Zufall, dass die SPD-Stadtratsfraktion seit dem Abgang und Parteiwechsel ihres Vorsitzenden Alexander Reissl wie befreit wirkt und sich selbst eine ordentliche Portion Aufbruch verordnet hat. Reiter selbst hat in den vergangenen zwei Jahren seine Politikziele angepasst - weg von den Bündnispflichten mit der CSU und hin in Richtung des Partners, nach dem sich latent wohl nach wie vor das Gros der Genossen sehnt: den Grünen.

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