Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in München:Die Stadtviertel-Karte wird bunter

Lesezeit: 2 min

So viele Parteien und Gruppierungen wie nie wollen in die 25 Bezirksausschüsse einziehen. Diese können ihr Hausrecht künftig leichter ausüben, um einer möglichen "Verrohung gesellschaftlicher Diskurse" Herr zu werden

Von Thomas Kronewiter

München wird bunt, ausgesprochen bunt. Das zeichnet sich gut zwei Wochen vor der Kommunalwahl auch für die unterste lokalpolitische Ebene ab. Noch nie traten bislang für die Wahl der 25 Münchner Bezirksausschüsse so viele Parteien und Gruppierungen an. Dazu gehören bundesweit bekannte Akteure wie die Linke, die zuvor noch nie Listen für eine Bezirksausschuss-Wahl aufgestellt hatte, aber auch kleine, mitunter lokal-spezifische Gruppierungen wie die neue München-Liste oder die bereits bekannten Davids contra Goliath. Zwar müssen diese Bewerber alle erst einmal in die Riege der insgesamt 683 Bezirksausschuss-Mitglieder gewählt werden, dennoch wäre es mehr als eine Überraschung, wenn die bundesweit feststellbare Erosion bei den Ergebnissen der großen Volksparteien nicht auch bei der Wahl der Bezirksausschüsse ihre Spuren hinterlassen würde und eine entsprechend vielfarbige Stadtviertel-Karte zur Folge hätte.

So gibt es relativ wenige Gremien, die sich nur einer Handvoll konkurrierender Gruppierungen gegenüber sieht. In Sendling, Hadern, Aubing-Lochhausen-Langwied und Laim treten jeweils nur fünf Listen gegeneinander an. Stadtweiter Spitzenreiter ist Neuhausen-Nymphenburg, wo Bewerber aus acht Wahlvorschlägen ins Stadtteilgremium einziehen wollen. Der zweitgrößte Münchner Stadtbezirk (nach Einwohnern) war aber auch schon vor sechs Jahren zu einem der buntesten geworden - ein solches Ergebnis ist allerdings bei 41 Gremiumsmitgliedern, wie in Neuhausen-Nymphenburg, viel einfacher, als in kleinen Stadtbezirken wie Altstadt-Lehel (mit 15 Mitgliedern).

Nahezu flächendeckend treten die Freien Wähler an, viermal allein, meist in gemeinsamen Listen mit der ÖDP - letztere hat sich allerdings auch zweimal mit David contra Goliath verbündet. Rosa Liste und München-Liste haben je einmal ein Häuflein zusammengebracht - erstere ein durchaus beachtliches in ihrer klassischen Domäne Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, zweitere nicht ganz so stark in Feldmoching-Hasenbergl, wo die München-Liste auch ihre Wurzeln und ihr Milieu hat. Die Linke versucht den politischen Neustart in zehn von 25 Gremien, die Alternative für Deutschland (AfD) hat Kandidaten für 15 Bezirksausschüsse - und damit mehr als der Hälfte aller Gremien - aufgeboten. Allerdings war die Rekrutierung der AfD durchaus unterschiedlich effektiv: Während etwa in Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln immerhin 15 Kandidaten für den 37 Mitglieder starken Bezirksausschuss antreten, ist es in Altstadt-Lehel gerade mal ein einsamer Einzelkämpfer.

Es könnte künftig also turbulenter zugehen in den Stadtteilgremien. Auch das städtische Direktorium, der Verwaltungsarm des Oberbürgermeisters, rechnet offenbar nicht nur mit künftig unübersichtlicheren Sitzungen, sondern auch, analog zu bundesweiten Entwicklungen, mit einer "Verrohung gesellschaftlicher Diskurse". Bei der jüngsten Änderung der Satzung für die Bezirksausschüsse beschloss der Münchner Stadtrat Änderungen der BA-Geschäftsordnung im Hinblick auf die Handhabung der Ordnung und des Hausrechts. Der bisher eher kurz gefasste Paragraf 8 erhält künftig die Formulierung, dass der oder die Vorsitzende Zuhörer zur Ordnung rufen kann, "die in störender Weise Beifall oder Missfallen äußern oder Zwischenrufe tätigen oder in anderer Weise die Sitzung stören". Nach entsprechender Mahnung können einzelne oder (bei allgemeiner Unruhe) sogar alle Zuhörer aus dem Sitzungssaal verwiesen werden. Woran die Stadtverwaltung konkret denkt, wird aus Absatz 5 deutlich. So ist der Vorsitzende berechtigt, Bezirksausschussmitglieder, die nicht zur Sache sprechen, beleidigende Ausführungen machen, gegen die Gepflogenheiten der Bezirksausschüsse verstoßen oder sonst die Ordnung stören, zu rügen und im Wiederholungsfalle zur Sache oder Ordnung zu rufen, im Extremfall auch den Redebeitrag beenden. Selbst ein Ausschluss von der Sitzung ist mit Zustimmung des Bezirksausschussgremiums möglich.

Diese Ausübung des Hausrechts ist zwar bisher schon dem Grundsatz nach so geregelt. Aber künftig sind die Umstände einer eventuellen Ausübung dieses Rechts viel ausführlicher erläutert und begründet. Das Direktorium erachtet es in Kooperation mit der Fachstelle für Demokratie für notwendig, "den BA- beziehungsweise Unterausschuss-Vorsitzenden und damit auch jeweils dem gesamten Gremium einen klaren Handlungsrahmen für den Umgang mit diesen Herausforderungen zur Verfügung zu stellen".

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SZ vom 26.02.2020
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