Kommunalwahl :Wahlrecht mit Einschränkungen

Auch Menschen mit Behinderungen, Obdachlose oder Strafgefangene können am 15. März ihre Stimme abgeben. Die Stadt hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um ihnen die Teilhabe zu erleichtern.

Von Christian Rost

Die Wähler sollen wählen am 15. März. Das ist leicht gesagt. Vom Wahlrecht Gebrauch zu machen, ist für verschiedene Bevölkerungsgruppen nämlich gar nicht so einfach. Wie kommen Behinderte mit dem Prozedere zurecht? Wie können Soldaten im Ausland, Obdachlose ohne festen Wohnsitz oder Gefängnisinsassen ihre Stimmen abgeben? Es kann durchaus nicht jeder, der Volljährig ist und die passende Staatsbürgerschaft besitzt, automatisch an einer Wahl teilnehmen.

Stimmzettel bei der Stadtratswahl in München 2014

Bei keiner Wahl sind die Stimmzettel größer als bei den Kommunalwahlen in Bayern. Blinde können sich Wahlzettel von Helfern vorlesen lassen

(Foto: Catherina Hess)

Der Gang zur Urne ist nicht wenigen eine lieb gewordene Bürgerpflicht, die sich mit dem sonntäglichen Spaziergang trefflich verbinden lässt. Das ist im Kleinen, bei der Kommunalwahl, nicht anders als bei Bundestags- oder Europawahlen. Mit dem Unterschied, dass man bei den lokalen Wahlen die Akteure mitunter persönlich kennt. Womöglich ist es gerade deshalb für manche so wichtig, selbst im Wahllokal zu erscheinen, obwohl es beschwerlicher für sie ist als eine Briefwahl. Zum Beispiel die junge Frau mit Behinderung, deren Eltern sich erst vorige Woche bei der Stadt München erkundigt haben, wo ihre Tochter möglichst barrierefrei ihre Stimme abgeben kann. Es ist ein Ereignis für die Frau, ein Stück Normalität, von der sie sich nicht ausschließen lassen will.

Utz Oswald, der ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Stadt, hilft in solchen Fällen weiter. Er hat dazu beigetragen, dass die Wahlen in München behindertenfreundlicher geworden sind. "Große Anstrengungen" seien in den vergangenen Jahren unternommen worden, um Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen die aktive Teilnahme an der Wahl zu erleichtern, sagt er. Es sei ein Prozess des Lernens gewesen, zu erkennen, wie Wahllokale für bestimmte Anforderungen ausgestattet sein müssen. Dazu wurde eine Checkliste erarbeitet, mit der jedes Wahllokal geprüft wird. Diese Liste gilt mittlerweile als beispielhaft für Kommunen in ganz Bayern.

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Wenn etwa der barrierefreie Zugang für Rollstuhlfahrer in einem Gebäude nicht gegeben ist, muss in der Nähe ein anderes mit eben diesen Voraussetzungen vorhanden sein. Die Wahlhelfer sind im Umgang mit Gehörlosen ebenso geschult worden wie für die Erfordernisse von Sehbehinderten sensibilisiert. Utz berichtet, dass in jedem Wahllokal eine besonders gut ausgeleuchtete Kabine eingerichtet wird, die bei einer Sehschwäche genutzt werden kann. Blinde können sich Wahlzettel von Wahlhelfern vorlesen lassen, wenn sie auf den mehr als einen Meter großen Papieren mit einer Leseschablone nicht selbst zurecht kommen. Auch Menschen mit anderen Einschränkungen würden nicht allein gelassen. "Wenn ich Hilfe brauche, bekomme ich Hilfe", sagt Utz.

Zehn bis elf Prozent der Menschen in München haben ein Handicap, wie viele davon wählen dürfen, ist aus gutem Grund nicht erfasst. In Nazideutschland wurden die Daten gekoppelt, um Wahlen zu steuern und Menschen brutal aus der Gesellschaft auszusieben. Im demokratischen Nachkriegsdeutschland hat es dann noch Jahrzehnte gedauert, bis auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen an Wahlen teilnehmen durften. Erst seit dem vergangenen Jahr sind psychisch Kranke und andere wegen einer geistigen Einschränkung Betreute nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und einer entsprechenden Gesetzesänderung nicht mehr pauschal von Wahlen ausgeschlossen. Sie dürfen Vertrauenspersonen mit in die Kabine nehmen, die sie unterstützen. Auch die Wahlhelfer stehen dafür zur Verfügung. Die Möglichkeit einer Manipulation bei der an sich geheimen Wahl ist dabei nicht mehr ausgeschlossen. "Das ist bei der Briefwahl zu Hause aber auch nicht der Fall", gibt Utz zu bedenken. Die Wahlhelfer jedenfalls seien sensibilisiert und schritten auch ein, wenn es den Anschein habe, dass es in einer Kabine nicht mit rechten Dingen zugehe.

Wahl Europawahl Kommunalwahl 2014

Der barrierefreie Zugang zur Wahlurne ist nicht immer einfach zu gewährleisten.

(Foto: imago)

Ausgeschlossen von Wahlen sind auch Straftäter nicht, wenn sie im Gefängnis sitzen. Falls ihnen das Wahlrecht nicht per Richterspruch wegen Landesverrats oder Wahlfälschung entzogen wurde, können sie die Briefwahl wie jeder Bürger in Freiheit auch beantragen. Das ist sogar relativ einfach und wird wie bei Soldaten im Auslandseinsatz gehandhabt. Der Heimatgemeinde muss lediglich der aktuelle Wohn- beziehungsweise Dienstsitz mitgeteilt werden, um die Unterlagen zu bekommen. Bei Gefangenen ist das die Haftanstalt. Für die eigentliche Wahl muss der Häftling dann die Möglichkeit haben, unbeobachtet seinen Wahlzettel auszufüllen. Der Wahlbrief, der dann an die Heimatgemeinde zurückgeschickt wird, darf nicht - wie sonst üblich bei Gefängnispost - geöffnet und kontrolliert werden. Das Wahlgeheimnis muss gewahrt bleiben.

In ein Wählerverzeichnis eintragen lassen müssen sich Menschen ohne Wohnsitz. Die meisten Betroffenen dürfen sich angesichts ihrer existenziellen Nöte allerdings kaum die Mühe machen, dafür die Voraussetzungen zu erfüllen. Ein mindestens zweimonatiger Aufenthalt in einer Kommune ist nötig. Die Regelung gilt auch für Studenten und Pendler.

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