Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl:Jedem seine Umfrage

Überrumpelt von der SPD hat auch die CSU eine Wahlumfrage präsentiert. Die sieht natürlich ganz anders aus. Aber ganz egal, wer bei der OB-Wahl die Nase vorn hat - im neuen Stadtrat könnte es nach beiden Prognosen zu unübersichtlichen Mehrheitsverhältnissen kommen.

Von Christian Krügel und Silke Lode

Die Botschaften, die SPD und CSU an ihre Umfragen zur Kommunalwahl knüpfen, könnten kaum unterschiedlicher sein: Während die SPD ihren Mann Dieter Reiter klar vorn sieht und Parteichef Hans-Ulrich Pfaffmann sogar glaubt, dass eine Stichwahl vermeidbar ist, spricht die CSU von einem Kopf-an-Kopf-Rennen. "Wir gehen von einer Stichwahl aus", sagt CSU-Chef Ludwig Spaenle.

Die beiden großen Parteien haben für ihre Prognosen allerdings sehr unterschiedliche Grundlagen: In der CSU-Umfrage kommt Josef Schmid auf 31 Prozent der Stimmen, Reiter liegt nur einen Punkt vorn. Die SPD-Zahlen sehen Reiter hingegen mit 43 Prozent neun Punkte vor Schmid.

Von den üblichen Schwankungen abgesehen kann die Erklärung zum einen in den unterschiedlichen Fragestellungen liegen: Während die SPD neben Schmid, Reiter und Sabine Nallinger (Grüne) noch nach dem Ergebnis für Michael Mattar (FDP) fragte, hat die CSU sich für Brigitte Wolf (Linke) als vierte in der Runde entschieden.

Die Option "ohne Mattar" bringt eher Schmid Vorteile, von der Variante "ohne Wolf" dürfte wohl Reiter profitieren. Zum anderen hat die SPD bei ihrer OB-Frage diejenigen herausgerechnet, die keine Wahlangabe gemacht haben - bei der CSU macht dieser Block samt den "Sonstigen" immerhin 23 Prozentpunkte aus.

Fast noch spannender sind die Zahlen zur Stadtratswahl. Auch die SPD hat Werte erhoben, Pfaffmann verrät aber nur, dass die SPD fünf bis sieben Prozentpunkte hinter ihrem Ergebnis von 2008 (39,8 Prozent) liege. Schon damals hatte die SPD zwei Sitze verloren. Laut der CSU-Umfrage könnte der Absturz noch tiefer werden: Sie kommt auf 26 Prozentpunkt für die SPD-Fraktion, die CSU liegt mit 34 Punkten klar vorn. Wenn die Grünen tatsächlich 12 Prozentpunkte bekommen, würde Rot-Grün die Mehrheit im Rathaus verlieren.

Josef Schmid erklärte sogar, dass es für Schwarz-Grün eine Mehrheit gebe. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, sind allerdings kreative Rechenmanöver mit der hohen Zahl unentschlossener Wähler nötig. Den Avancen der CSU erteilt Nallinger zudem immer deutlicher eine Absage: "Schmid ist zwar ein moderater, moderner Großstadtpolitiker, aber dahinter schaut's auf der Liste düster aus", sagte die Spitzenkandidatin der Grünen am Freitag und fügte hinzu: "Ich würde mir klar wünschen, dass es für Rot-Grün reicht."

Da Rot-Grün seit fast 25 Jahren in München regiert und die Mehrheit zuletzt recht komfortabel war, kann man sich inzwischen kaum noch vorstellen, dass die Koalition nicht immer ausgemachte Sache war. Nicht wegen inhaltlicher Differenzen, die es immer gab und gibt. Sondern auf Grund der Machtverhältnisse im Stadtrat.

Zwei Mal stellte die CSU in der Ära Rot-Grün die stärkste Fraktion im Rathaus, nach beiden Wahlen (1994 und 1996) hatten SPD und Grüne alleine keine Mehrheit. 1996 rettete der neue Stadtrat der Rosa Liste das Bündnis. Noch kreativer wurde in den zwei Jahren zuvor regierte: mal mit wechselnden Mehrheiten, mal mit einem "Rot-Grünen-Regenbogen-Bündnis", dem die ÖDP und die Umweltinitiative David gegen Goliath immer wieder ihre beiden Stimmen liehen.

Ähnlich unübersichtlich könnte es auch im neuen Stadtrat zugehen, da viele kleine Parteien ins Rathaus drängen. Allesamt haben sie keine schlechten Chancen, zumindest einen der Sitze zu ergattern. Als Parias, mit denen wohl niemand ein Bündnis eingehen wird, gelten die rechtsradikale BIA, die Euroskeptiker von der AfD und die Islamhasser von der Freiheit.

Da Gelb-Schwarz in München nach allen Prognosen chancenlos ist, dürfte auch die FDP Oppositionspartei bleiben - mit Rot-Grün sind ihre Vorstellungen kaum kompatibel. Möglich wäre eine große Koalition, doch darauf dürfte die SPD-Basis ähnlich allergisch reagieren wie die Grünen auf ein Bündnis ihrer Partei mit der CSU.

Für die potenziellen Neulinge von den Piraten oder der Wählergruppe Hut könnte also schnell die große Stunde schlagen. Einen gewissen Heimvorteil hätte Tobias Ruff von der ÖDP - ihn kennen und respektieren die Stadträte von SPD und Grünen. Ob ein Rot-Rot-Grünes Bündnis denkbar wäre, steht in den Sternen: Dieter Reiter zumindest hat sich bislang nur mäßig freundlich über die Linke geäußert.

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SZ vom 08.02.2014
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