Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Untergiesing-Harlaching:Manchmal bühnenreif

Persönliche Befindlichkeiten bestimmen den politischen Diskurs

Von Julian Raff, Untergiesing-Harlaching

Sein Wechsel von der Kanzlei an die Spitze des Wirtschaftsreferats hat Clemens Baumgärtner (CSU) bis jetzt nur selten daran gehindert, die Sitzungen des Bezirksausschusses (BA) selbst zu leiten. Auf Platz eins der CSU-Liste gesetzt, wird der 43-jährige Wirtschaftsanwalt wohl auch 2020 bis 2026 ins Gremium einziehen. Die Frage einer Kandidatur für den Vorsitz hält er allerdings offen: "Ich halte mich in Demut und mache jetzt erst einmal Wahlkampf".

Dass rechnerisch einiges auf Schwarz-Grün oder auch Grün-Schwarz hindeutet, beunruhigt Baumgärtner wenig, es sei ja schließlich "kein Geheimnis", dass er gut mit den Grünen könne. Fürs Zusammenspiel gelten aber neue Voraussetzungen, seit Baumgärtners Vize Melanie Kieweg, seit 1996 parteiloses Mitglied der Grünen-Fraktion, dieselbige verlassen und sich vorerst mit den Freien Wählern zusammengetan hat. Die alte Partnerschaft hatte auch, aber nicht nur persönliche Gründe: Vor allem aus den Reihen der SPD waren kritische Anmerkungen zu hören, wie sich CSU und Grüne im BA die Reviere aufgeteilt hätten, vor allem bei Zuschussanträgen für Vereine: Hier die "Harlachinger" CSU, da Kieweg und die Grünen als Untergiesinger Interessenvertreter. Mit der Aufstockung des BA-Budgets hat der Zwist über Zuschüsse allerdings nachgelassen.

Kieweg, seit 2002 durchgehend auf dem Vizeposten, kandidiert nun auf Platz drei der neuen Liste Bündnis fürs Viertel, einem Zusammenschluss von Freien Wählern, ÖDP und parteilosen Kandidaten. Mäßig betrübt über Kiewegs Abgang und mit Optimismus blickt Grünen-Fraktionssprecher und Stadtrat Sebastian Weisenburger auf den Wahltag im März. Alles sei diesmal möglich, inklusive einer Grünen-Mehrheit. Einen Einstieg "von Null auf Vorsitz" kann sich Weisenburger dann aber doch nicht recht vorstellen.

Zuversichtlich und unaufgeregt gibt sich SPD-Sprecher Michael Sporrer, der für die Wahl auf den OB-Bonus vertraut, und auf eine Vielzahl von einstimmig unterstützten SPD-Anträgen. Je nach Wahlergebnis schließt er eine erneute Kandidatur nicht aus; er war 2014 gegen Baumgärtner unterlegen. Wichtiger sei ihm die "Ausgrenzung" der Sozialdemokraten zu beenden. Tatsächlich kann man sagen, dass die SPD, obwohl nur 4,2 Prozentpunkte und ein Mandat hinter der CSU, im Gremium unter Wert dasteht - ohne einen einzigen Unterausschuss-Vorsitz und seit Anfang 2018 auch ohne den zweiten Vizeposten.

Vieles im BA scheint auch an persönlichen Befindlichkeiten zu hängen. Regelmäßig, wenn auch nur noch selten so bühnenreif, wie zu Beginn der Amtsperiode, fliegen die Fetzen zwischen Baumgärtner und Christa Knappik (SPD), die von 1996 bis 2002 BA-Chefin war. Für Sporrer kein Hindernis für eventuelle Bündnisse. Der Zusammenprall der Gemüter überlagere die inhaltliche Übereinstimmung. In der Sache zeigten sich dagegen regelmäßig schwarz-grüne Differenzen über Grünen-Anträge, die dem restlichen Gremium zwar originell, aber wenig realistisch erschienen.

Die Spitzenkandidaten (soweit bekannt): CSU: 1. Clemens Baumgärtner, 2. Andreas Babor, 3. Monika Scholz. SPD: 1. Michael Sporrer, 2. Violetta Rosendahl, 3. Christian Milerferli. Grüne: 1. Julia Fitzner, 2. Sebastian Weisenburger, 3. Petra Jakobi. FDP: 1. Christoph Schneider, 2. Isabel Schweitzer, 3. Tim Zimmermann. FW/ÖDP ("Bündnis fürs Viertel"): 1. bis 3. Günther Görlich.

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SZ vom 31.01.2020
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