Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln:Vom Ratzingerplatz bis zum Siemens-Sportpark

Die wichtigsten Themen der nächsten Amtsperiode dürften der Öffentlichkeit vertraut vorkommen. Viele wurden bisher schlicht noch nicht abgeräumt

Von Jürgen Wolfram, Fürstenried

Egal, wie die Kommunalwahl im März ausgeht, dem Stadtbezirk Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln steht ein großes Déjà-vu bevor. Anders ausgedrückt: Die alten Themen werden die neuen sein, wenn der Bezirksausschuss in veränderter Besetzung zusammentritt. Auf der Hitliste der Dauerbrenner weit oben stehen die Zukunft des Siemens-Sportparks, die Umsetzung der Pläne für den historischen Derzbachhof, die kulminierenden Verkehrsprobleme, die Nachverdichtung in Fürstenried-West, die Entwicklung auf dem Campus Süd, diverse Schulbauten, die Umgestaltung von Südpark und Ratzingerplatz. Und vieles hängt mit vielem zusammen.

Zu den erfreulicheren Kapiteln gehört in diesem Kontext die Fortschreibung der Sportpark-Geschichte. Nachdem die Stadt das Areal erworben hat, geht es inzwischen darum, Nutzungsideen zu entwickeln. Schon zeichnet sich ab, dass konzeptionell eine Mischung aus Erholungspark und Sportstätten herauskommen wird. Im Frühsommer soll die Bürgerbeteiligung beginnen. "Wünsche gibt's jetzt schon jede Menge", weiß der BA-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU). Obwohl verschiedene Referate mit der Planung befasst sind, was in München selten ein gutes Omen ist, zeigt sich Weidinger zuversichtlich, dass in enger Kooperation der Lokalpolitik mit der Stadtverwaltung eine Attraktion für die Allgemeinheit entstehen könnte. Weniger positiv ist aus Sicht des BA-Chefs, was die Verwaltung zuletzt zur Lösung der massiven Verkehrsprobleme im Stadtbezirk beigetragen hat.

Das viel beschworene Verkehrskonzept, das fünf Jahre auf sich warten ließ und in lexikalischer Dicke kaum mehr enthält als eine Beschreibung des Ist-Zustands, bezeichnet Weidinger als "Offenbarungseid". Ihm und den meisten anderen Mitgliedern der Stadtteilvertretung sei schleierhaft, "warum die nicht gleich gesagt haben, dass bei uns keine Verbesserungen zu machen sind". Andererseits muss sich der Bezirksausschuss fragen lassen, warum er Verkehrsprobleme immer wieder unter Hinweis auf die ausstehende Studie auf Eis gelegt hat, obwohl er ahnte, dass nicht viel Substantielles zu erwarten war.

Das vielleicht größte Rätsel der Gegenwart im Stadtbezirk 19: Wie wird sich das ehemalige Siemens-Gelände an der Hofmannstraße einmal darstellen, der Campus Süd, auch Hofmannhöfe genannt. Nach dem jüngsten Eigentümerwechsel ist mal wieder völlig unklar, ob hier nun tatsächlich Hunderte Wohnungen entstehen, wie ursprünglich vorgesehen, oder doch wieder überwiegend Bürobauten wie einst zur Siemens-Blütezeit in Obersendling. So oder so gelte es, Fragen anzugehen, "die wirklich problematisch sind", sagt Weidinger. Er meint damit nicht zuletzt die Verkehrslenkung im Viertel. Zum Beispiel seien drei "riesige Garagenausfahrten" im Gespräch, deren Auswirkungen auf die Siemensallee und die Baierbrunner Straße eingehend untersucht werden müssten.

Die Tram-Westtangente ist noch in weiter Ferne, die Umgestaltung des Ratzingerplatzes über die bereits detailliert geplanten Schulen an der Boschetsrieder Straße (Grundschule) und Gmunder Straße (Gymnasium) hinaus ebenso. Als Riesenthema im öffentlichen Bewusstsein längst etabliert hat sich hingegen das Schicksal des Derzbachhofs an der Forstenrieder Allee. Um die Zukunft des Baudenkmals aus dem 18. Jahrhundert wurde und wird gerungen, als hinge davon der Fortbestand des Stadtteils Forstenried ab. Manche Bürger halten die Luft an, wenn demnächst Pläne der Firma Euroboden umgesetzt werden, die neben der Sanierung des Hofes eine Teilnutzung zu Wohnzwecken sowie Neubauten im rückwärtigen Teil des Geländes vorsehen. Auch Weidinger sagt: "Ich bin mir nicht sicher, was da am Ende herauskommt."

Ein notorischer Skeptiker ist der BA-Vorsitzende auch, was Verbesserungen auf der U-Bahn-Linie 3 angeht. "Wenn die schon den Fünf-Minuten-Takt nicht hinkriegen, wie wollen sie dann auf vier Minuten umstellen?" Distanziert betrachtet Weidinger ferner die Hochhausplanungen im Bereich Boschetsrieder Straße/Helfenriederstraße sowie die Nachverdichtung in Fürstenried-West. Ein großer Freund der Tram West ist er ebenso wenig: "Die Frage der Anbindungen ist schwierig und nur bedingt gelöst."

Dass mehr und mehr Menschen eine gewisse Doppelzüngigkeit der Parteien beklagen, wundert Weidinger nicht. Gerade die Tram-Westtangente ist dafür ein gutes Beispiel. Auf lokaler Ebene hatte die CSU unermüdlich gegen das Vorhaben argumentiert, die Stadtratsfraktion der Union stimmte am Ende trotzdem zu. So ist Politik eben, könnte man denken und problemlos Beispiele auch bei anderen Parteien finden, vor allem im Zusammenhang mit der Nachverdichtung. Weidinger sieht's nüchtern: "Am Ende sticht der Ober den Unter." Wobei der Unter meistens der Bezirksausschuss sei.

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SZ vom 16.01.2020
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