Kommunalwahl in Schwabing-West:Aderlass im Konsens-Gremium

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Die bewährten Kräfte ziehen aus (von links): Walter Klein (SPD), Ingrid Braunstorfinger, Oskar Haider, Hannelore Eichele (alle CSU), Brigitte Gmelin (SPD) und Regina Bruder (Grüne). (Foto: Robert Haas)

Fast die gesamte erste Riege der erfahrenen Politiker wird nach der Bezirksausschuss-Wahl im Sitzungssaal an der Hiltenspergerstraße nicht mehr vertreten sein. Dafür ist eine Zersplitterung des Fraktionsspektrums zu erwarten - was Auswirkungen auf den kooperativen Kurs haben könnte

Von Ellen Draxel

Probleme erkennen, Interessen ausgleichen, Lösungen suchen. Es klingt so einfach, was die Lokalpolitiker im westlichen Schwabing seit vielen Jahren täglich praktizieren, in ihren Sitzungen im Saal des Alten- und Service-Zentrums an der Hiltenspergerstraße ebenso wie bei Ortsterminen, in Verhandlungen oder in Form von "Brieferln", die die Stadtteilvertreter gar nicht so selten an die Stadtverwaltung schreiben. Und doch steckt dahinter sehr viel Arbeit und Engagement.

In Westschwabings Bezirksausschuss geht es nicht um Profilierung und so gut wie nie um Parteipolitik - das genau macht die Stärke des 29-köpfigen Gremiums aus, das seit nahezu vier Jahrzehnten immer der gleiche anführt: Walter Klein. Der 67-jährige SPD-Politiker aber hat sich nun entschlossen, bei der Bezirksausschuss-Wahl im März 2020 nicht mehr anzutreten. In dem Alter, findet der mit 36 Amtsjahren im Vorsitz derzeit noch dienstälteste Bezirksausschuss-Chef Münchens, könne man "schon mal aufhören".

(Foto: SZ)

Mit Klein verlässt zudem nahezu die gesamte erste Riege der Erfahrenen das Gremium, allen voran CSU-Fraktionschefin Ingrid Braunstorfinger und ihr Fraktionskollege und Vorsitzender des Unterausschusses Planen und Wohnen, Oskar Haider - drei Politiker aus den Reihen von SPD wie CSU, die seit 39, 45 beziehungsweise 46 Jahren dem Gremium angehören. Nicht mehr antreten werden außerdem Mietexperte Albrecht "Ali" Schmidt (SPD), Grünen-Fraktionschefin Regina Bruder und Hannelore Eichele (CSU), die dann ebenfalls 46 Jahre lang aktiv war, sowie die frühere SPD-Sprecherin Brigitte Gmelin.

Man wird den neuen Bezirksausschuss nicht mehr wiedererkennen. Das bedeutet eine Chance für Jüngere, aber auch einen enormen Aderlass, weil viel Orts- wie Sachkompetenz verloren geht. Immerhin bieten Klein und Braunstorfinger an, Interessierte in die Materie einzuführen - sofern dies von dem neuen BA gewünscht wird. Arithmetisch könnte sich die Machtachse des Bürgergremiums nun in Richtung der Grünen verschieben - nicht bloß, weil sich in der gegenwärtig zweiten stellvertretenden Bezirksausschuss-Chefin Gesa Tiedemann ein langjähriges, dem Konsensprinzip verpflichtetes Mitglied für die Nachfolge Walter Kleins regelrecht aufdrängt. Der Höhenflug der Grünen könnte auch entsprechende Ambitionen befördern. Allerdings war die Vorsitzenden-Wahl im westlichen Schwabing nie eine Frage der eigenen Hausmacht, sondern immer der Persönlichkeit.

Die neue SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Sufi-Siavach kann bei den Genossen - wie übrigens auch der Extremismusbeauftragte Thomas Rock - zumindest die Kontinuität wahren; den Vorsitz will die 77-Jährige unterdessen keinesfalls für sich reklamieren. Dass sich die CSU vom bislang kooperativen Kurs abwendet, ist wenig wahrscheinlich. Einerseits des erwarteten Wahlergebnisses wegen, andererseits im Hinblick auf die neuen Personen, die sich zur Wahl stellen. Allen voran ist dies auf Platz eins der CSU-Liste Richard Waldburg, ein Westschwabinger seit fast 30 Jahren, wenngleich ein Novize im Bezirksausschuss. Er trägt eigentlich einen Adelstitel und einen viel längeren Namen, will aber nur mit der verkürzten Form genannt werden und mit seiner Fraktion die neue Amtsperiode "pragmatisch angehen und den Interessenausgleich suchen".

Das hätten die ausscheidenden Granden auch so formulieren können. Und thematisch dürfte Waldburg, Mitglied der Kirchenverwaltung von St. Ursula, in den "Kuschel-BA" ebenfalls gut passen. Der dreifache Familienvater nennt als seine Themen Schulwege, Kinderspielplätze und kindgerechtes Wohnen im verdichteten Schwabing, dazu die Integration von Menschen über 65 Jahren.

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Was die Arbeit des künftigen Bezirksausschusses erschweren könnte, ist die zu erwartende Zersplitterung des Gremiums. So stellt sich zum ersten Mal die Partei Die Linke auf der untersten kommunalpolitischen Bühne zur Wahl und hat mit dem Theater- und Fernsehschauspieler Rudi Knauss auch ein vergleichsweise prominentes Zugpferd am Start. Ob die Alternative für Deutschland (AfD) ins Gremium einziehen kann, und wenn ja, wie stark, lässt sich nur schwer einschätzen. Klar ist jedenfalls, dass sich eine Reihe von Politikern verschiedener Fraktionen schon jetzt gegen eine Zusammenarbeit mit den Rechten ausspricht. Das immerhin wäre ein Novum in dem bislang vor allem konsensorientierten Bezirksausschuss.

Die Spitzenkandidaten (soweit bekannt): CSU: Richard Waldburg, 2. Christine Müller, Jan Kurrus. SPD: 1. Ingrid Sufi-Siavach, 2. David Braun Lacerda, 3. Ingrid Neumann-Micklich. Grüne: 1. Gesa Tiedemann, 2. Christine Feiler, 3. Stefanie Netter. FDP: 1. Moritz Ostwald, 2. Ani Ruth Lugani, 3. Laura Reif. Die Linke: 1. Rudi Knauss, 2. Franka Segelbacher, 3. Theo Glauch. AfD: 1. bis 3. Christian Favre.

© SZ vom 28.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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