Kommunalwahl in Obergiesing-Fasangarten:Leiden im kleineren Rahmen

Kommunalwahl in Obergiesing-Fasangarten: Dreh- und Angelpunkt: Die verkehrliche Neugestaltung des Tegernseer Platzes bleibt eine der zentralen Aufgaben in den kommenden Jahren.

Dreh- und Angelpunkt: Die verkehrliche Neugestaltung des Tegernseer Platzes bleibt eine der zentralen Aufgaben in den kommenden Jahren.

(Foto: Robert Haas)

Wirklich stressfrei können im Stadtbezirk offenbar nur die Freien Wähler und die Grünen der Wahl 2020 entgegenblicken. Die SPD wurde in den vergangenen sechs Jahren personell arg gebeutelt, die CSU hat von ihrem Image als Autofahrerpartei kaum profitiert

Von Hubert Grundner

Klar, die Mitglieder in den Bezirksausschüssen (BA) sind relativ weit entfernt von den berühmten Hebeln der Macht. Trotzdem kann, wer aufmerksam das Geschehen auf dieser lokalen politischen Ebene verfolgt, durchaus die großen Linien in Bund und Land wiedererkennen. Der BA Obergiesing-Fasangarten scheint sich für eine solche Betrachtung jedenfalls anzubieten, insbesondere die SPD. Denn für die begann die jetzt endende Amtsperiode bei der Kommunalwahl im März 2014 mit einem schmerzhaften Tiefschlag. Daran gab es für Horst Walter (SPD), den damaligen Vorsitzenden des BA, nichts zu deuteln: "Generell ist das Ergebnis für die Münchner SPD mehr als ernüchternd", urteilte er damals. Als mindestens ebenso enttäuschend empfand er die geringe Wahlbeteiligung. Und obwohl die Sozialdemokraten immerhin im örtlichen Gremium noch die Mehrheit stellten, schien der verdiente Lokalpolitiker diesem Erfolg nicht sehr weit zu trauen. Eine Ahnung, die sich dann ja auch bestätigen sollte - weder wurde Walter wieder BA-Vorsitzender, noch behielt die SPD diesen Posten. Stattdessen verständigten sich Sozialdemokraten und Grüne auf Carmen Dullinger-Oßwald als neue Vorsitzende. Wobei die SPD, wie damals zu hören war, auf den Job an der Spitze des Gremiums nicht hätte verzichten müssen. Potenzielle Kandidaten ließen sich aber dem Vernehmen nach nicht dazu überreden, das Amt zu übernehmen.

Was folgte, war eine Phase der Neuorientierung innerhalb der SPD-Fraktion, möglicherweise auch eine von Kompetenzverteilung und Sprachregelungen. Erkennbar war jedenfalls für den Außenstehenden, dass sich Horst Walter in der Folge erkennbar zurücknahm - womit auch die Stimme eines in vielen städtebaulichen und planungspolitischen Belangen erfahrenen Mannes nicht mehr zu hören war. Aus Rücksicht auf seine Gesundheit legte Walter, der seit 1972 - mit Unterbrechungen - für die SPD dem Bezirksausschuss Obergiesing-Fasangarten angehört hatte, schließlich im Oktober 2016 sein Mandat nieder.

Mit der Mieterbeirätin Angelika Dörrie verlor die SPD im Februar 2019 ein weiteres BA-Mitglied. Für die Partei ein aus zweierlei Gründen schmerzhafter Abschied: Dörrie verfügt zum einen wie kaum ein zweites BA-Mitglied über Expertise in sozial- und wohnungspolitischen Fragen. Beispielsweise entwickelte sie weitgehend aus eigener Initiative heraus das Modell für ein "Wohngeld II", das insbesondere älteren Menschen mit wenig Geld helfen könnte, in ihren Wohnungen zu bleiben. Ein Pfund gerade in Zeiten des Wohnungsnotstands, sollte man denken, mit dem allerdings die SPD nicht zu wuchern verstand. Zum anderen ist Dörrie eine gestandene Giesingerin, die im Viertel bestens vernetzt ist. Davon können nun vielleicht die Grünen profitieren, zu denen Dörrie gewechselt ist.

Im dritten Fall schließlich hat die SPD selbst die Trennung von einem BA-Mitglied eingeleitet: Sie hat Ender Beyhan-Bilgin einstimmig zum Verlassen der Fraktion aufgefordert - was diese nach eigener Auskunft auch tun will. Auslöser für die Trennung: Beyhan-Bilgin will als OB-Kandidatin an der Spitze der neu gegründeten Liste Fair ("Freie Allianz für Innovation und Rechtsstaatlichkeit") bei der Kommunalwahl für den Münchner Stadtrat kandidieren. Nicht zuletzt aber hat laut SPD die unkritische Haltung Beyhan-Bilgins zum Umgang des türkischen Regimes mit Oppositionellen oder zum Angriff der Türkei auf Syrien zum Bruch mit ihr geführt.

Fakten zum Stadtbezirk 17

In kaum einem anderen Stadtbezirk leben so viele Menschen auf so engem Raum: 54 256 Einwohner verzeichnet das Statistische Jahrbuch der Stadt München 2019 für Obergiesing-Fasangarten auf einer Fläche von exakt 572,04 Hektar. Umgerechnet bedeutet das, dass sich auf einem Hektar 95 Bewohner drängen. Und immer mehr wollen dorthin ziehen, schließlich ist Giesing in Mode gekommen.

Dazu trägt sicherlich die gute Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr mit mehreren U- und S-Bahn-Stationen, mit attraktiven Tram- und Busverbindungen bei. Zugleich aber leiden die Obergiesinger unter einer regelrecht brutalen Belastung auf der Tegernseer Landstraße: Das tägliche Verkehrsaufkommen entspricht demjenigen einer viel befahrenen Autobahn - allerdings mitten durch Wohngebiete. Mit der Folge, dass an zwei Messstellen im Stadtbezirk mit die schlechtesten Luftwerte Münchens aufgezeichnet werden. Zugleich fehlt es vielerorts an Grünflächen. Vermutlich aus Gründen wie diesen fordern viele Giesinger seit Jahren auch eine Verkehrsberuhigung des Tegernseer Platzes.

Der örtliche Bezirksausschuss zählt mittlerweile 25 Mitglieder. Bei der Wahl 2014 entfielen 37,5 Prozent der Stimmen auf die SPD, 28,5 Prozent verbuchte die CSU, 23,8 Prozent gingen auf das Konto der Grünen, 6,7 Prozent heimsten die Freien Wähler ein und 3,6 Prozent die FDP. Hubert Grundner

Personalien wie die drei genannten mögen für sich genommen nicht dramatisch für die SPD sein. Auch darf man darüber nicht vergessen, dass sich die Fraktion beherzt und immer wieder auch erfolgreich für die Interessen des Stadtbezirks eingesetzt hat. In der Gesamtschau ergibt sich aber das Bild einer Partei, in der es gärt, in welcher frühere Gewissheiten verloren gegangen zu sein scheinen, die sich wieder finden muss. Ob die jahrelange Abwärtsspirale bei der Kommunalwahl ein Ende findet, wird für die Sozialdemokraten möglicherweise zur Existenzfrage.

Damit müssen die Mitglieder der CSU-Fraktion wohl nicht rechnen. Entspannt dürften sie dem Urnengang im März aber vermutlich trotzdem nicht entgegenblicken. Denn größere eigene Erfolge konnte das Team um Fraktionssprecher Stefan Reinwald in den zurückliegenden sechs Jahren eigentlich nicht verzeichnen. Der Versuch, sich als "Autofahrerpartei" zu positionieren, kommt in einem Stadtbezirk mit den münchenweit schlechtesten Stickstoffdioxidwerten und einer täglich über ihn hereinbrechenden Verkehrslawine nicht sonderlich gut an.

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Heribert Wagner hingegen gehört als Vertreter der FDP einer Partei an, die sich scheinbar per Parteiprogramm dazu verpflichtet hat, nur in Ausnahmefällen ein zweistelliges Wahlergebnis einzufahren. Wagners Arbeit im BA wird das nicht gerecht. Denn der selbständige Diplom-Ingenieur zeigt sich als prinzipientreu, wo es ihm wichtig erscheint, und als kompromissbereit, wo es die Vernunft gebietet. Ob das den Wiedereinzug in den BA sichert? Wirklich stressfrei können offenbar nur Freie Wähler (FW) und Grüne dem 15. März entgegenblicken. So verfügen die FW in Peter Mehling über einen Fraktionssprecher, der sich engagiert, sich sachkundig und ohne Berührungsängste mit anderen Parteien in die Debatten einbringt. Alles Eifernde ist dem Verkehrsexperten, zu dem er sich in dieser Amtsperiode entwickelt hat, zumeist fremd. Seine Begabung, sich auch gegen die zahlenmäßig überlegene Konkurrenz Gehör zu verschaffen, könnte so manchem Giesinger gefallen. Auch die Koalition der CSU mit den FW im Freistaat hilft ihm vielleicht. Mehling tritt auch als Oberbürgermeister-Kandidat der FW bei der Stadtratswahl an.

Und schließlich sind da noch die Grünen, denen man seit Monaten ein seliges Lächeln anzusehen glaubt. Wozu ihnen neben den vergangenen Wahlergebnissen auch aktuelle Umfragen allen Anlass geben könnten. Es liegt aber ebenso an der Fraktion selbst, ihrem erfreulich unideologischen Auftritt im BA Obergiesing-Fasangarten und der sehr sach- und bürgerbezogenen Arbeit, die sie dort leisten. Wobei die im Durchschnitt eher noch jüngere grüne Truppe von einem ganz besonders profitiert: Fraktionssprecher Joachim Lorenz bringt hier seine in vielen Jahren gesammelte politische Erfahrung als ehemaliger städtischer Referent für Gesundheit und Umwelt ein. Für ihn soll die kommende Amtsperiode im BA zur letzten Ehrenrunde als Lokalpolitiker werden. Ein Wunsch, der ihm mit großer Wahrscheinlichkeit erfüllt wird.

Die Spitzenkandidaten (soweit bekannt): SPD: 1. Alexander Schmitt-Geiger, 2. Birgit Knoblach, 3. Felix Palm. CSU: 1. Rita Brunnengräber, 2. Stefan Reinwald, 3. Maximilian Wanderwitz. Grüne: 1. Carmen Dullinger-Oßwald, 2. Joachim Lorenz, 3. Ricky Dörrie. Freie Wähler: 1. Hans-Peter Mehling. FDP: 1. Heribert Wagner, 2. Holger Schmidt-Krüger, 3. Anna Ahlfeld

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