Kommunalwahl in Neuried:Platz eins nur im Netz

Kommunalwahl in Neuried: Den Online-Wahlkampf hat das BZN gewonnen, wenn es nach Likes und Followern geht. Nur in Wählerstimmen hat sich das nicht niedergeschlagen.

Den Online-Wahlkampf hat das BZN gewonnen, wenn es nach Likes und Followern geht. Nur in Wählerstimmen hat sich das nicht niedergeschlagen.

(Foto: Catherina Hess)

Das Bündnis Zukunft Neuried setzt vergeblich auf Internet-Wahlkampf und verliert seine Sperrminorität im Gemeinderat

Von Johannes Korsche, Neuried

Das Bündnis Zukunft Neuried (BZN) versteht sich als die "entscheidende Kraft" der Gemeinde und machte mit diesem Motto auch Wahlkampf. Im Gemeinderat sei man "wertvoller Vermittler" zwischen den Blöcken, wie der neu gewählte Gemeinderat Tobias Kuner sagt. Dem BZN kam vor der jüngsten Wahl eine besondere Rolle zu: Gegen sie gab es im Gemeinderat keine Mehrheit. Zumindest so lange SPD und CSU sich nicht zusammentaten. Stets auf der Suche nach Kompromissen sei man so zum "Motor" vieler Entscheidungen geworden. Eine Rolle, die den BZN-Gemeinderäten auch außerhalb ihrer Fraktion viel Ansehen einbrachte.

Nach der Kommunalwahl vom Sonntag wird ihr Einfluss aber sinken. Nicht nur weil das BZN in das neue Gremium lediglich drei statt der bisherigen vier und erhofften fünf Mitglieder entsendet. Da stellt sich die Frage: Ist der deutliche Verlust von sieben Prozentpunkten im Vergleich zu 2014 auch auf den Wahlkampf zurückzuführen? Gut möglich, denn das BZN ging da einen besonderen Weg. Sehr bewusst hatte die Gruppierung darauf verzichtet, einen Bürgermeisterkandidaten aufzustellen oder zu unterstützen. Außerdem setzte sie vor allem auf einen digitalen, "zurückhaltenden" Wahlkampf, wie Kuner sagt. Der sei von vielen sehr positiv aufgenommen worden. Aber offensichtlich hat dieser digitale Wahlkampf, auf den das BZN sich konzentriert hat, nicht verfangen. Während beispielsweise die Grünen auf Haustürwahlkampf gesetzt hatten, stellten sich zwölf BZN-Kandidatinnen und -Kandidaten mit eigenen Videos auf Facebook vor, zwischen 90 Sekunden und drei Minuten lang. Die Abrufzahlen sind ordentlich für eine Partei, die nur die etwa 6500 wahlberechtigten Neurieder anspricht. Zwischen 500 und fast 1750 Mal wurden die einzelnen Videos geklickt.

Das Video von Matthias Schilcher bekam zum Beispiel 21 Reaktionen, alle positiv: Likes und Herzen. Zum Vergleich: Die Facebook-Seite der SPD Neuried gefällt gerade mal 24 Personen. Das sind weniger als ein Zehntel der "Facebook-Freunde" des BZN, das sich in den vergangenen Monaten genau 271 Freunde gesichert hat. Den Online-Wahlkampf in Neuried haben Kuner und seine Kollegen also klar gewonnen, nur in der politischen Währung, den Wählerstimmen, hat sich das nicht niedergeschlagen. Warum? "Wenn ich das wüsste", sagt Kuner.

Am deutlichsten wird das Auseinanderfallen von Online-Erfolg und Wahlzettel-Mathematik bei BZN-Kandidatin Regina Lechner. Sie war auf dem dritten Listenplatz gesetzt, ihr Vorstellungsvideo wurde mehr als 1700 Mal angeschaut und 20 Mal geliked. Fabelwerte, es war das erfolgreichste BZN-Video. Eigentlich beste Voraussetzungen, um in den Gemeinderat einzuziehen. Aber an ihrer Stelle schaffte es der einen Listenplatz weiter hinten platzierte Tobias Kuner.

Der hat allerdings einen anderen Hauptgrund für das "enttäuschende" Wahlergebnis ausgemacht. Es habe hauptsächlich daran gelegen, dass "wir keinen Bürgermeisterkandidaten hatten", analysiert er. Gemeinsam mit Markus Crhak und Robert Hrasky bildet er künftig die dezimierte BZN-Fraktion. In sechs Jahren, prophezeit Kuner, werde die Gruppierung "mit einem Bürgermeisterkandidaten" antreten.

Tatsächlich hat vor allem die SPD gezeigt, wie man von einem beliebten Bürgermeister wie Harald Zipfel profitieren kann. Ebenso ist das starke Ergebnis von Marianne Hellhuber (CSU) bei der Gemeinderatswahl ein Hinweis auf die Zugkraft von Bürgermeisterkandidaten. Hellhuber war dem Amtsinhaber Zipfel zwar deutlich unterlegen, holte aber die meisten Stimmen aller Gemeinderatskandidatinnen und -kandidaten.

Und so kommt es, dass es im neuen Gemeinderat nicht mehr zwingend auf die Stimmen des BZN ankommt. SPD und Grüne können nun auch gegen BZN und CSU eine Mehrheit zusammenbekommen. Künftig fehlt ihnen dazu nur noch eine Stimme. In der weniger ideologisch geprägten Kommunalpolitik könnte die auch von FDP-Mann Luis Sanktjohanser oder Bernd Quintenz (Wählergruppe Bürgerinitiative Neuried) kommen. Mechthild von der Mülbe (SPD) sieht bereits "mehr Spielraum", und auch die Grünen wollen "verstärkt Themen setzen", wie deren Gemeinderätin Corinna Pflästerer-Haff (Grüne) sagt. Und dazwischen das BZN, dessen Stimmen wichtig bleiben, aber eben nicht mehr unter allen Umständen entscheidend sind.

Das BZN will allerdings auch in den kommenden sechs Jahren "wertvoller Vermittler" sein - nur eben mit leiserer Stimme. Tobias Kuner jedenfalls übt sich nach der Wahl schon mal in Diplomatie: Er freue sich "von Herzen, dass der Bürgermeister es im ersten Wahlgang geschafft hat". Zugleich wünsche er aber Marianne Hellhuber "viel Kraft", mit dem Ergebnis umzugehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: