Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Neuried:Ideenreicher Wettbewerber

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Ein Rathaus zur Miete, Wohnungen auf Stelzen: Oliver Schulze Nahrup will mit ungewöhnlichen Vorstößen Bürgermeister werden. Dass seine FDP im Gemeinderat wohl keine große Fraktion stellen wird, stört ihn nicht

Von Johannes Korsche, Neuried

Oliver Schulze Nahrup ist im Stress, den Interviewtermin musste er wegen der Arbeit um eine halbe Stunde nach hinten schieben, außerdem muss er gleich weiter zum TSV Neuried, bei dem er im Vorstand sitzt. Trotzdem: Für ein Helles im Gasthaus Lorber langt die Zeit. Der 49-jährige Bürgermeisterkandidat der FDP will ja auch seine Ideen vorstellen. Vor allem aber muss er erklären, warum er nach zwölf Jahren nicht mehr in den Gemeinderat, aber ins Bürgermeisterbüro will?

Dafür hat Schulze Nahrup einen einfachen Grund. Für ein weiteres ehrenamtliches Engagement als Gemeinderat fehle ihm schlicht die Zeit. Denn der dreifache Vater würde neben seinem derzeitigen Beruf als Verwaltungsleiter von sieben Münchner Pfarreien noch ganz gerne ein bisschen Zeit daheim verbringen. Zudem stehe nach zwölf Jahren im Gemeinderat ohnehin ein "legitimer Wechsel" an, wie er sagt. Die FDP hat den Politikwissenschaftsstudenten Luis Sanktjohanser als Spitzenkandidat aufgestellt.

Aus eben jener Zeitnot heraus sei es auch zu einer "unglücklichen Terminkollision" gekommen, als sich Schulze Nahrup für die Gemeinderatssitzung im Januar entschuldigen ließ. Weil er zeitgleich bei einer Wahlkampfveranstaltung der FDP war. Da "war mir selber nicht wohl dabei", sagt Schulze Nahrup. Allerdings sei das der einzig mögliche Termin gewesen, bei dem alle in der FDP Zeit gehabt hätten. Gegen eine Rüge, wie es der Gemeinderat damals diskutierte aber letztlich verwarf, "hätte ich wenig Gegenargumente", räumt er ein.

Wenn er als Bürgermeister aber genügend Zeit haben dürfte, würde er so manches anders angehen. Den wohl deutlichsten Unterschied markiert er beim künftigen Rathaus. Wollen SPD und CSU ein eigenes, neues Rathaus in der Ortsmitte bauen, ist das für Schulze Nahrup unnötig: "Es ist doch egal, wo das Rathaus ist." Bürger kämen ohnehin nicht zufällig zur Gemeindeverwaltung. Wer ein Anliegen habe, fahre gezielt dahin, argumentiert er. Das derzeitige Interimsrathaus am Hainbuchenring sei gut mit den Öffentlichen und dem Auto erreichbar. Das Rathaus würde er weiterhin zur Miete unterbringen. Der Grund: Müsste die Gemeinde keinen Rathausbau zahlen, würde Neuried "Handlungsfähigkeit zurückgewinnen", sagt er mit Blick auf die angespannte Finanzlage.

Die Ortsmitte will er natürlich trotzdem bebauen. Handel im Erdgeschoss, im ersten Stock Arztpraxen und darüber noch Wohnungen - so die Vorstellung. Aber die "Bilder der anderen", damit meint er seine politische Konkurrenz, die einen "Platz mit Aufenthaltsqualität" und Bio-Markt versprechen, hält er für unrealistisch. Denn tatsächlich beeinflussen, welche Läden einziehen, könne selbst der Bürgermeister kaum. Zudem sei die Staatsstraße mit ihrem Verkehr zu dominant für eine besonders schöne Ortsmitte. "Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann."

So sieht er das bei den Verordnungen der Gemeinde und will "das Ortsrecht auf ein Minimum beschränken". Wozu brauche Neuried zum Beispiel eine Plakatierungsverordnung, fragt er. Wie solle die überhaupt wirksam umgesetzt werden, wenn eine Partei dagegen verstoße. Das habe auch "mit Ehrlichkeit dem Bürger gegenüber" zu tun. Ähnlich argumentiert er beim Thema Kiesabbau. Es sei unredlich auf den Eigentümer einzuwirken, obwohl dieser das Recht habe, auszukiesen. Er will daher keine Meinungsbekundungen in Richtung Münchner Stadtrat schicken, sondern lieber Konzentrationsflächen ausweisen und den Abbau so besser steuern. Denn wird der Kies nicht dort abgebaut, sondern muss von woanders angeliefert werden, "dann rollen die Laster auf der Staatsstraße".

Beim Wohnungsbau will er sich am großen Nachbarn orientieren. Wie beim Parkplatz am Münchner Dantebad, würde er den Parkplatz der Mehrzweckhalle mit Stelzen überbauen. Die wahrscheinliche Folge, dass in Neuried bald mehr als 10 000 Menschen leben, ist für Schulze Nahrup kein Problem. "Das wäre keine Zahl, an die ich mich halten müsste." Auch wenn es dazu einen gültigen Beschluss des Gemeinderats gibt, der eben diese Grenze festschreibt.

Derzeit ist Schulze Nahrup der einzige FDPler im Gemeinderat. Gerade für seine ambitionierten Projekte wird er sich wahrscheinlich auch nach der Kommunalwahl im März nicht auf eine große Fraktion verlassen können. Er vertraut darauf, dass sich die beste Idee im Wettbewerb durchsetzen wird - ganz FDP. "Das wird man dann sehen, ob meine Ideen gut genug sind." Inzwischen ist das Bier leer. Das trifft sich, denn Oliver Schulze Nahrup muss weiter zum nächsten Termin.

Den amtieren Bürgermeister und SPD-Kandidaten Harald Zipfel stellte die SZ bereits vor. Ebenso wie CSU-Gemeinderätin und Bürgermeisterkandidatin Marianne Hellhuber.

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Quelle:
SZ vom 06.03.2020
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