Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in München:Wie die Parteien die Wohnungsnot lindern wollen

Explodierende Immobilienpreise, umstrittene Luxussanierungen, leer stehende Häuser - weil die Stadt boomt, gehört der Wohnungsmarkt zu den größten Problemen Münchens. Die Parteien haben das Thema zum Schwerpunkt ihres Wahlkampfs gemacht. Doch was bringen ihre Konzepte wirklich?

Von Dominik Hutter und Silke Lode

Als München in den Sechzigerjahren die erste Welle der Wohnungsnot in der Nachkriegszeit erfasste, reagierte der Stadtrat mit einer radikalen Lösung: einem "Gesamtplan zur Behebung der Wohnungsnot". Riesige Neubaugebiete wurden geplant. In Großhadern ein Klinik-Viertel, in Freimann eines für Studenten und in Neuperlach eine echte Trabantenstadt mit wuchtigen Wohnblöcken.

An einen Masterplan zur Lösung der Wohnungsnot glaubt inzwischen niemand mehr - zumal allmählich der Platz ausgeht. Sicher, auch heute noch werden völlig neue Stadtviertel geplant, in Freiham zum Beispiel oder östlich der S 8-Trasse zum Flughafen. Das Planungsreferat schätzt, dass auf unbebauten Flächen noch Platz für etwa 50 000 Wohnungen ist. Eine erschreckende Zahl, wenn man sie Prognosen gegenüberstellt, laut denen München bis zum Jahr 2025 um 200 000 Einwohner wächst.

Die vielfältigen Möglichkeiten der Politik

Die Wohnungsfrage ist aber längst nicht nur eine planerische Sorge, sondern ein reales Problem, dem sich kaum jemand in München entziehen kann. Fast jeder kann aus eigener Erfahrung, zumindest aber aus dem Bekannten- oder Verwandtenkreis, unglaubliche Geschichten vom Miet- und Immobilienmarkt und seinen Eskapaden erzählen. Nicht nur die SPD, die sich traditionell als Mieterpartei versteht, hat das Thema ganz oben auf ihre Agenda gesetzt. Auch die CSU, die Grünen oder die FDP halten Schutz und Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für die wichtigste Aufgabe der Stadtpolitik.

Die Möglichkeiten der Politik, auf den Wohnungsmarkt einzuwirken, sind überraschend vielfältig. Ganz grundsätzlich geht es immer um zwei Bereiche: den Wohnungsbau und den Schutz der bestehenden Wohnungen und ihrer Mieter. Zwei Felder, auf denen in München schon lange Politik gemacht wird. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag wurden beide vor dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Während andere Kommunen im neoliberalen Taumel der Neunzigerjahre ihre Wohnungen versilbert haben, kann Rot-Grün es sich als visionäre Leistung auf die Fahnen schreiben, diesem Trend widerstanden zu haben. 63 000 Wohnungen hat die Stadt in ihrem Besitz und kann so zumindest dämpfend auf die steigenden Mieten einwirken.

Nicht nur ihre eigenen Unternehmen zwingt die Stadt, sozialverträglich zu agieren. Zumindest in Teilen verlangt sie das auch von privaten Investoren. Dafür wurde im Rathaus 1994 ein Instrument mit dem kryptischen Namen "Sobon" erfunden: die sozialgerechte Bodennutzung. Der Münchner Weg führt über Auflagen, die an die Ausweisung von neuem Bauland geknüpft sind. Wer davon als Investor profitiert, muss Planungskosten übernehmen, soziale Infrastruktur für Kinder mitbezahlen und dafür sorgen, dass 30 Prozent der neuen Wohnungen nach geförderten Modellen angeboten werden.

Spielraum hat die Stadt sich auch beim Umgang mit den eigenen Grundstücken geschaffen, nachdem es heftige Kritik hagelte, als Filetgrundstücke wie jenes an der Müllerstraße 7 meistbietend verkauft wurden, wo aus dem alten Heizkraftwerk der Luxus-Turm "The Seven" wurde. Während die Stadtkasse zwar von den Einnahmen aus immer phantastischeren Bodenpreisen profitiert, musste die Politik einsehen, dass sie zur Preistreiberei auf dem Grundstücksmarkt beigetragen hat. Im letzten Moment wurde deshalb der Verkauf des Stadtwerke-Areals an der Katharina-von-Bora-Straße gestoppt. In der Neuauflage des städtischen Handlungsprogramms für die Wohnungspolitik wurde die Förderung von Baugemeinschaften und privaten Baugenossenschaften verbessert.

Auch beim Mieterschutz verfügt München über einige Besonderheiten. Seit 1987 gibt es vor allem innerhalb des Mittleren Rings Quartiere, die durch Erhaltungssatzungen Milieuschutz genießen und vor der Vertreibung durch Luxussanierungen geschützt werden. 17 solcher Gebiete gibt es derzeit, in denen 193 000 Menschen wohnen. Mieterhöhungen oder Kündigungen sind allerdings trotzdem möglich, und die allmähliche Aufwertung von In-Vierteln können Erhaltungssatzungen nur bremsen. Das Glockenbachviertel, zum Beispiel, wurde trotzdem so vornehm, dass es vor zehn Jahren aus der Schutzliste gestrichen werden musste. Das Milieu, das man schützen wollte, war einfach nicht mehr da.

All die Jahre hat diesem Instrument ein wichtiger Zahn gefehlt, nämlich das Verbot, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Jahrzehntelang hatte die CSU-Landesregierung, die das Umwandlungsverbot beschließen muss, nichts von der Forderung wissen wollen, die zum Beispiel Christian Ude immer erhoben hat. Just in dieser Woche wurde bekannt, dass die Staatsregierung sich nun mit dem Umwandlungsverbot angefreundet hat und es zum 1. März einführen will. Während Josef Schmid, der OB-Kandidat der CSU, jubiliert, seine Partei rede eben nicht nur, sondern handle, kontert die SPD hart. "Gut 20 Jahre und mindestens 100 000 Wohnungen zu spät" komme das Verbot, meint der SPD-Kandidat Dieter Reiter.

Grundstücke nur für bezahlbaren Wohnraum

Die Ideen für die Zukunft ähneln sich bei allen Parteien in vielen Punkten. Es muss mehr und dichter gebaut werden, auch in bestehenden Wohngebieten. Auch eine engere Kooperation mit den Städten und Gemeinden im Umland wird unisono angestrebt. Wenn man sich mit den Details beschäftigt, werden aber doch Unterschiede deutlich.

So setzen die Liberalen vor allem auf Neubauten, um die Lage zu entspannen. Die CSU will Verkehrsschneisen wie die A 96 überbauen und finanzielle Anreize für das Umland schaffen, damit dort mehr Bauland ausgewiesen wird. Von der FDP haben die Christsozialen die Idee eines kommunalen Wohngelds übernommen. Gefördert werden sollen laut Wahlprogramm "Mieter in ganz München, die sich die Miete nicht mehr leisten können".

Die SPD-Stadträtin Beatrix Zurek ist der CSU "fast dankbar, dass sie diese alte Kamelle wieder hervorgeholt hat". Mit einem Wohngeld fördere man den Vermieter, der höhere Preise verlangen könne. "Daran zeigt sich fast schon exemplarisch, wo wir uns unterscheiden", sagt Zurek. Die SPD setzt stattdessen, ähnlich wie die Grünen, darauf, die bestehenden Instrumente intensiver zu nutzen und weiterzuentwickeln. Auch die Zielzahlen beim Wohnungsbau sollen erhöht werden. Allerdings wird schon die bisherige Marke von 7000 pro Jahr meist verfehlt - ein Versäumnis, das CSU und FDP regelmäßig an der Rathaus-Koalition kritisieren.

SPD und Grüne wollen auch mehr Wohnraum in städtische oder genossenschaftliche Hand bringen und sorgfältiger überlegen, wie die verbleibenden Flächen der Stadt bebaut werden sollen. Sabine Nallinger, die OB-Kandidatin der Grünen, gibt auf ihren Plakaten die Formel aus: "Wenn wir städtische Grundstücke abgeben, dann nur noch für bezahlbaren Wohnraum." Und Zurek bringt es so auf den Punkt: "Wir wollen die Guten mit dem Bauen beauftragen." Gemeint sind die GWG, Gewofag und Genossenschaften.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2014/tba
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