Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in München:Ein Stilbruch als Chance für die CSU

Die Junge Union kritisiert Kristina Frank, die unterlegene OB-Kandidatin, öffentlich scharf. Der Verstoß gegen die gängige politischen Etikette offenbart, was in der Münchner CSU überfällig ist.

Kommentar von René Hofmann

Dass die Debatte kommen würde, war klar. Die Form und die Wucht, mit der sie entfesselt wurde, überrascht aber. Drei Tage nach der verlorenen Stichwahl um das OB-Amt kritisierte die Junge Union die 28,7-Prozent-Kandidatin Kristina Frank unerbittlich. "Unauthentisch" sei die 39-Jährige gewesen, ihr Wahlkampf der "altbackenste und langweiligste" seit drei Jahrzehnten. Zugestellt wurden die Unfreundlichkeiten nicht etwa direkt oder in engen Parteizirkeln, der Stadtvorsitzende Michael Daniel wählte die Öffentlichkeit.

Politische Jugendorganisationen sind selten Institutionen, in denen Stilfragen besonders sorgsam abgewogen werden. Der breite Schlag drei Tage nach der Niederlage, zu einem Zeitpunkt, in dem die Parteien im Rathaus gerade beginnen, miteinander darum zu ringen, wer in den nächsten sechs Jahren mit wem welche Inhalte umsetzen kann, hat dann aber doch eine besondere Note. Denn er lässt einen tiefen Blick zu in das Innenleben des Münchner Ablegers der Partei, die in Bayern rituell den Ministerpräsidenten stellt und in diesen Tagen sogar einen besonders motivierten.

War die Kandidatin die richtige? War ihr Agieren klug und konsistent? Wer hat sie in all dem eigentlich beraten? Das Ergebnis für Frank und die Verluste von 7,8 Prozent bei den Stadtratswahlen werfen Fragen auf. Nicht viele haben sich getraut, sie den CSU-Granden so unvermittelt zu stellen, wie es Michael Daniel getan hat. Er hat offenbar den Damm aufgeweicht, der lange gehalten hatte.

Auch der Kreisverband Mitte hat nun ähnliche Fragen gestellt. In einem internen Papier, in einem sachlicheren Ton, aber mit der gleichen Stoßrichtung: Schluss mit der Schönfärberei! In ihren ersten Reaktionen hatten die Parteispitzen das Ergebnis als "respektabel" bezeichnet und den Eindruck erweckt, sich einer allzu kritischen Auseinandersetzung über das Zustandekommen gerne entziehen zu wollen. Diese Möglichkeit wurde ihr nun genommen. Wer will, kann darin eine doppelte Chance sehen: eine zur inhaltlichen Erneuerung. Und eine für eine neue Kommunikationskultur.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4866073
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.04.2020/infu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.