Kommunalwahl:Grüne Stadträte gesucht

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  • Angesichts der jüngsten Wahlergebnisse bereiten sich die Grünen auf ein kräftiges Plus an Mandaten bei der Kommunalwahl 2020 vor.
  • Der Bedarf an Interessierten erhöht sich zusätzlich, weil einige Mitglieder nicht mehr antreten wollen.
  • Das Stadtratsmandat ist ein Ehrenamt und nicht immer gut mit dem Beruf vereinbar. "Viel Aufwand bei mittelmäßig viel Geld", sagt Münchens Grünen-Chefin Gudrun Lux.

Von Dominik Hutter, München

Gut möglich, dass es bald etwas beengt zugeht in Zimmer 145. Die durch diese Tür erreichbare Raumflucht im Nordflügel des Münchner Rathauses beherbergt die Stadtratsfraktion von Grünen und Rosa Liste, die aktuell 14 Mitglieder hat. 16,6 Prozent sahnten die Grünen 2014 bei der Kommunalwahl ab . Das Ergebnis bestimmt bis heute die Mehrheitsverhältnisse: Für die Grünen hat es hinter CSU und SPD nur zu Platz drei und damit Opposition gereicht. Angesichts der jüngsten Wahlergebnisse für Landtag und Europaparlament laufen bei der Öko-Partei aber längst die Vorbereitungen für ein kräftiges Mandate-Plus am Marienplatz. Böse Stimmen witzeln bereits, die Grünen könnten doch nach dem Wahltermin im März 2020 einfach mit der SPD Räume tauschen. Deren derzeit 24 Stadträte residieren in deutlich prominenteren Räumen auf der selben Etage. Nur ein paar Schritte entfernt.

Der erhoffte Aufbruch wirft bereits seine Schatten voraus. Denn es ist kein Spaziergang, die Fraktion mal eben auf eine andere Ebene zu hieven. Engagierte Kandidaten für die Stadtratsliste müssen her, und zwar deutlich mehr, als es bislang üblich war. Zwar haben die Grünen auch bei vergangenen Wahlen schon 80 Bewerber ins politische Rennen geschickt. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass die Personalauswahl für die aussichtsreichen Ränge anders abläuft als auf den Positionen, die gemeinhin für Zähl- oder zumindest Wackelkandidaten vorgesehen sind.

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In der Parteizentrale am Sendlinger Tor werden bereits Beratungsgespräche für Interessenten angeboten. Wer Lust auf Kommunalpolitik hat, muss schließlich die Rahmenbedingungen kennen. Passt ein solches Mandat überhaupt in den eigenen Alltag? "Viel Aufwand bei mittelmäßig viel Geld", muss Münchens Grünen-Chefin Gudrun Lux dann erklären.

Das Stadtratsmandat ist ein Ehrenamt, reich wird man mit der Aufwandsentschädigung nicht. Dazu kommt der Knatsch mit dem Arbeitgeber, dem man erst einmal verklickern muss, dass montags Fraktionssitzung ist und am Mittwoch Vollversammlung. "Was bedeutet all das organisatorisch für mich?", lautet eine der Hauptfragen derer, die bei den Grünen zur Mandats-Beratung kommen. Dabei geht es nicht nur um den Stadtrat, sondern auch ums mögliche Engagement in den 25 Bezirksausschüssen, die ebenfalls am 15. März 2020 gewählt werden. Auch dort könnte es Zuwächse geben, falls die Stimmungslage so bleibt.

Zusätzlich hat Lux inhaltliche Schulungen im Sortiment: Welche Kompetenzen hat ein Stadtrat überhaupt, welche ein Bezirksausschuss-Mitglied? Wie funktioniert der Rathaus-Alltag, und welche Initiativen hat die grüne Stadtratsfraktion in den vergangenen Jahren gestartet? Es ist ja immer ein Vabanquespiel zwischen den Ambitionen von Neulingen, deren Ideen man ungern übergeht, und den Bedürfnissen gestandener Kommunalpolitiker, die nach jahrelangem Engagement nicht wieder bei Null anfangen und sämtliche Debatten von vorne beginnen wollen.

Allerdings wird die Riege der Erfahrenen nach der nächsten Wahl deutlich kleiner sein - das erhöht zusätzlich den Bedarf an Politik-Interessierten. Schon die Landtagswahl 2018 hatte die Stadtratsfraktion wichtiger Mitglieder beraubt, die langjährige Fraktionsvorsitzende Gülseren Demirel wie auch der frühere Bürgermeister Hep Monatzeder sind ins Maximilianeum enteilt. Nur kurz vorher hatte schon Demirels Vorgängerin an der Fraktionsspitze, Lydia Dietrich, ihren Abschied gefeiert.

Erfahrungen und Kompetenzen gehen verloren

Mit Ende der laufenden Amtsperiode geht der Aderlass weiter. Nach Informationen aus der Partei wollen auch Herbert Danner, Jutta Koller, Sabine Krieger, Oswald Utz und die OB-Kandidatin von 2014, Sabine Nallinger, nicht mehr antreten. Bei Utz, der Behindertenbeauftragter der Stadt München ist und im Rollstuhl sitzt, hat übrigens die Mehrfach-Belastung mitgespielt bei der Entscheidung, es nicht noch einmal zu probieren. Zwei kleine Kinder, das Handicap sowie der Zwang, irgendwie auch die eigene Altersversorgung und Krankenkasse abzusichern, machen die Belastung durch das Stadtratsmandat zu einer hohen - zu hohen - Hürde. Wäre diese Situation anders, so Utz, "hätte ich es auf alle Fälle noch einmal gemacht". Was bleibe, sei das ungute Gefühl, dass politisches Engagement eben doch sehr von der persönlichen Fitness abhängig sei.

Mit Utz und seinen ebenfalls ausscheidenden Kollegen gehen der Fraktion Erfahrungen und Kompetenzen verloren, die es erst einmal wieder aufzufüllen gilt. Koller etwa zählt zu den profiliertesten Sozial- und Bildungspolitikerinnen im Rathaus, ein Bereich, bei dem die Grünen personell nicht eben fürstlich ausgestattet sind. Parteichefin Lux gibt sich aber optimistisch, die Lücken mit neuen Leuten schließen zu können. Schließlich habe sich der Stadtverband in den vergangenen Jahren in etwa verdoppelt, rund 2500 Münchner haben inzwischen ein grünes Parteibuch. Und mit der puren Größe, so Lux, gingen die Grünen auch in puncto Kompetenzen und Interessen in die Breite.

Die Stadtratsliste soll Mitte September aufgestellt werden, zwischen Sommerferien und Wiesn. Mit Blick auf den Wählerzuspruch wollen die Grünen erstmals nicht mehr die ersten 20, sondern die ersten 30 Plätze einzeln wählen. Aus diesem Feld stammen erwartungsgemäß die Mandatsträger - auch wenn die Münchner Wähler die Reihenfolge der Liste noch einmal deutlich durcheinanderwirbeln können. 2014, so Lux, seien sämtliche der späteren Stadträte auf den ersten 20 Plätzen zu finden gewesen. Für den Rest der Liste soll es einen Vorschlag des Vorstands geben, ergänzt möglicherweise durch Parteifreunde, die es trotz Kandidatur nicht auf die ersten 30 Ränge geschafft haben.

Bei den Grünen gibt es aber auch eine aktive Kandidatensuche. Ein Frauenförderprogramm bereitet nicht nur auf die Ausübung eines politischen Mandats vor, sondern ermuntert auch zu diesem Schritt. Zusätzlich spricht der Vorstand Leute an, deren Qualifikation und Engagement in den Ortsverbänden oder bei Veranstaltungen auffällt. "Ich bin zuversichtlich", so Lux. "Weil viele Leute Lust auf Politik haben."

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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