Kommunalwahl 2020:Im Spagat

Kommunalwahl 2020: Zur Nominierung die passenden Blümchen: CSU-Generalsekretär Markus Blume (links) und Münchens Zweiter Bürgermeister Manuel Pretzl feiern ihre Parteifreundin Kristina Frank.

Zur Nominierung die passenden Blümchen: CSU-Generalsekretär Markus Blume (links) und Münchens Zweiter Bürgermeister Manuel Pretzl feiern ihre Parteifreundin Kristina Frank.

(Foto: Robert Haas)

Im Werksviertel hat die CSU ihre Kommunalreferentin Kristina Frank zur OB-Kandidatin gewählt. Der Ort ist Konzept: urban, aber geordnet. Die Delegierten zeigen sich begeistert von einer Frau, die modern und bewahrend zugleich sein will, cool und bürgerlich.

Von Dominik Hutter

Eichentäfelung und Hirschgeweih sucht man hier vergebens. Kristina Frank steht auf einer Dachterrasse hoch über dem Werksviertel und streckt die Arme in den Himmel. Oberste Etage mal wieder - schon zum Start als Kommunalreferentin nutzte sie den höchsten Punkt ihres Bürogebäudes für öffentlichkeitswirksames Yoga. Am Horizont sind die Türme der Altstadt zu sehen, direkt unten brummt das geordnet-alternative Leben des neuen Stadtquartiers. Franks Nominierung findet nicht in einer bayerischen Bierwirtschaft statt, und wer die CSU-Politikerin kennt, hat dies wohl auch nicht erwartet. Modern soll es zugehen, cool und medienmäßig auf der Höhe der Zeit. Aber auch bewahrend, bürgerlich und traditionsbewusst. Diesen Spagat muss die Münchner Oberbürgermeister-Kandidatin der CSU nun hinkriegen.

Im Veranstaltungssaal von "München hoch 5" steht Franks neues Wahlkampfvehikel neben den durchsichtigen Kunststoffstühlen. Eine Art Strandgefährt mit Dach, Sitzbänken und vier Rädern - das ein wenig alternativere Pendant zu dem (mit Gas angetriebenen) Uralt-VW-Bus, der den Wahlkampf von Vorgänger Josef Schmid geprägt hat. Der hätte durchaus auch zu Frank gepasst, die ja erklärtermaßen das Klientel der Autofahrer nicht vernachlässigen will. Aber Wiederholungen gefallen nicht im Wahlkampf, und im Leben der 38-Jährigen spielt Sport ohnehin eine deutlich größere Rolle als bei ihrem Vorgänger. Daher das motorlose Frank-Bike, das mit dem Lastenaufzug in die oberste Etage gehievt wurde und nun wie eine werbewirksame Verheißung neben der Bühne steht, auf der die Kandidatin gleich ihre Bewerbungsrede halten will.

Zuvor aber gibt es Filme zu sehen, die an vielen Stellen wie eine Liebeserklärung ans schöne München wirken und wie eine spontane Befragung der Kandidatin, die eigens zu diesem Zweck längere Denkpausen einlegt als es wohl notwendig gewesen wäre. Sie will sympathisch wirken, das merkt man, menschlich und nahbar. Ihre Rede beginnt mit "liebe Freundinnen und Freunde, lieber Felix, liebe Mama". Felix ist der Name von Franks Ehemann, und dass auch die Mama da ist, liefert nicht nur einen klitzekleinen Einblick ins Privatleben der CSU-Politikerin, sondern zeigt auch, dass sie sich nicht schämt, vertraute Kosenamen ihrer Liebsten in die Öffentlichkeit zu tragen. Auch sich selbst nennt sie so: eine "junge Mama", die sich schon einmal um Kitaplätze sorgt. Im Redemanuskript stand eigentlich "junge Mutter", aber das war Frank wohl zu unpersönlich. Im Laufe ihres Vortrags kommen dann auch noch der erste Kuss, der erste Job und die erste Wohnung kurz zur Sprache - die Botschaft lautet: Hier steht jemand mitten im Leben und scheut sich nicht, das Menschliche zu betonen. Wenn es darauf ankommt, so versichert die frühere Richterin und Staatsanwältin, könne sie aber auch hart sein.

An diesem Abend kommt es nicht darauf an. Frank hält eine Wahlkampfrede, ohne dabei wahlkämpferisch ins Mikrofon zu brüllen. Getreu ihrem selbst verkündeten Motto, dass "Charme und Einfühlungsvermögen unter Menschen viel wert sind", spricht sie ruhig und freundlich zu den Delegierten, die man getrost als Frank-Fangemeinde bezeichnen kann. Später, als die neue OB-Kandidatin der CSU mit 119 von 121 Stimmen gewählt ist, spenden sie stehenden Applaus und jubeln. Schilder mit "Kristina rocks" und vielen Hashtags darauf künden vom festen Willen, die Welt der Youtuber und die der Gamsbartträger gleichermaßen zu repräsentieren. "Wir können Youtube", versichert Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle der Saalgemeinde. Denn dies soll auch ein digitaler Wahlkampf werden. Frank selbst spricht von "Dirndl und Digitalisierung". Das klingt vertraut, nach dem alten "Laptop und Lederhose"-Slogan von Edmund Stoiber. Nur eben weiblicher und smartphoniger.

Münchner Lebensgefühl, das will die CSU-Politikerin vermitteln und vorleben. Eine große Rolle in ihrer Rede spielt die "City-Life-Balance", also die Harmonisierung einer wachsenden Metropole mit dem Bedürfnis nach Gemütlichkeit und Altvertrautem, das unter die Räder zu kommen drohe. Es gebe das weitverbreitete Gefühl, dass alles immer enger und dichter wird. "Für mich droht München aus dem Gleichgewicht zu kommen." Selbst als Radfahrer komme man inzwischen oft erst mit der zweiten Grünphase über die Kreuzung, so voll ist es. Frank plädiert für Augenmaß bei der weiteren Entwicklung der Stadt. "München muss sich zurückerobern, was es gerade zu verlieren droht". Und auch einmal etwas einfach so lassen, wie es ist. Die Gartenstädte zum Beispiel, die die CSU nicht antasten will. Obwohl es gelte: "Wohnungen bauen, Wohnungen bauen, Wohnungen bauen. Aber: nicht um jeden Preis. Sondern: mit Sinn und Verstand."

Gebaut werden solle dann eben in Vierteln, deren Charakter dadurch nicht bedroht werde, und dann vielleicht gleich richtig in die Höhe. Schuld an der heutigen Wohnungs-Misere sei die frühere rot-grüne Stadtregierung, die alles verschlafen habe, was man nur verschlafen könne. Obwohl die Bevölkerungsprognosen schon 2007 von einer massiven Bevölkerungszunahme bis 2030 ausgegangen seien. Erst mit dem Eintritt der CSU ins rot-schwarze Bündnis nach der Kommunalwahl 2014 habe man damit begonnen, das Ruder herumzureißen.

Aus Franks Rede wird deutlich, mit welcher Strategie die CSU ihre beiden Wahlziele für 2020 erreichen will - stärkste Fraktion plus Oberbürgermeisterin: Das Themenspektrum umfasst Bewahrend-Konservatives ebenso wie Modernes und Angesagtes - wozu neben einem Bekenntnis zum Fahrrad (ohne Ausgrenzung der Autofahrer) natürlich auch der Umwelt- und Klimaschutz gehört. Aber eben so, dass niemand wirklich dagegen sein kann: "Miteinander statt gegeneinander, das ist die Leitlinie der Verkehrspolitik der CSU München", sagt Frank. Soll heißen: München braucht alles. Bessere Radwege, neue Tunnel am Mittleren Ring, den Autobahn-Ringschluss im Süden, einen S-Bahn-Ring und viel Platz für Fußgänger. Angebote statt Verbote.

Zupass kommt der CSU dabei zweifellos der seit einigen Monaten auch aus Stadtrats-Abstimmungen ablesbare Kurswechsel des SPD-Bündnispartners, der statt der bisherigen Kompromisspolitik zwischen den Interessen von Auto- und Radfahrern inzwischen klare Kante in Richtung ökologische Verkehrswende propagiert. Was der CSU nun unter den größeren Fraktionen eine Art Alleinstellungsmerkmal bei der Betreuung der Autofahrer beschert. "Das meistgenutzte Verkehrsmittel ist - oh Wunder - das Auto", betont Frank. Es ist unschwer zu erkennen, dass sich die CSU dieses erkleckliche Wählerpotential sichern will. Wie übrigens auch den Kreis der gern gescholtenen Münchner Vermieter, die "eben keine dubiosen Miethaie, sondern anständige, gute Eigentümer" seien. Auch für die christlich-konservative Klientel fehlt die Botschaft nicht: Das Christentum, so Frank, sei der "Grundpfeiler des Wertekanons".

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