Süddeutsche Zeitung

Kommunalpolitik:Kritik, die ratlos macht

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Stadträte grübeln, was aus Studie über Nichtwähler zu lernen ist

Von Heiner Effern

Wie können Politiker mehr Bürger dazu bewegen, wieder zur Wahl zu gehen? Der Soziologe Werner Fröhlich, der die Motive der Nichtwähler in München im Auftrag der Stadt untersucht und am Freitag im Rathaus vorgestellt hat, präsentierte dort zwei zentrale Handlungsempfehlungen: Stadträte sollten mehr in die Viertel gehen, ihre Entscheidungen erklären und auch dazu stehen. Des Weiteren müsste auf allen Wegen versucht werden, über die Bedeutung der kommunalen Politik und auch jeder Stimme bei einer Wahl aufzuklären. Immer mehr Gruppen in der Gesellschaft würden nicht mehr erreicht. Es gelte dann konstant immer wieder nachzuhaken und vorzusprechen. "Das kostet wahnsinnig viel Geld, Zeit und Arbeit", sagte Fröhlich.

Als Hauptgründe nannten Nicht-Wähler in der Studie einen Vertrauensverlust in die Politik und ihre Stammpartei sowie das Bedürfnis, einen Denkzettel zu verteilen. Sie fühlen sich meist schlecht oder unverständlich informiert und von ihren gewählten Vertretern im Stich gelassen. Diese zeigten sich im Viertel nur, wenn sie ihre Stimme wollten. Stadträte aus allen großen Fraktionen zeigten sich in der anschließenden Diskussion offen für die Kritik, aber auch ratlos angesichts des umfangreichen politischen Angebots. Alle Parteien hielten Veranstaltungen in den Vierteln ab. Monatlich gebe es Sitzungen des Bezirksausschusses, einmal im Jahr eine Bürgerversammlung, sagte zum Beispiel SPD-Stadtrat Gerhard Mayer. Sein Kollege Thomas Ranft von der FDP fügte hinzu, dass die Stadtratsarbeit "an die Grenze des Ehrenamts führe".

Der Soziologe Fröhlich zeigte Verständnis dafür und regte an, weniger an die Quantität zu denken und sich viel mehr die Frage zu stellen: "Weshalb funktionieren Ihre Informationsangebote nicht?" Er plädierte dafür, nicht einfach Einladungen zu verschicken für Formate, "die einen Großteil der Bürger nicht ansprechen". Es gelte, neue Konzepte zu entwickeln, möglichst neutral moderierte Veranstaltungen mit offenen Themensetzungen, an wechselnden Orten über die Stadt verteilt. Dabei soll auch die Möglichkeit bestehen, aktuelle Probleme oder Projekte emotional zu diskutieren.

Die stellvertretende Grünen-Fraktionssprecherin Katrin Habenschaden arbeitete den Zwiespalt der Tagesarbeit heraus. Einerseits müssten Gremien zu Ergebnissen kommen, andererseits stießen formalisierte Veranstaltungen wie Bürgersprechstunden und -versammlungen an Grenzen. "Gleicher Ort, gleicher Personenkreis, gleiche Themen". Da bliebe oft kein Raum für emotionale An- und Aussprache, die Leute begeistern könne. Die Politik müsse sich fragen, "ob unsere Schwerpunktsetzung zu sehr nach innen gewandt ist". Die Stadtspitze mit allen drei Bürgermeistern und die beiden Chefs der Regierungsfraktionen konnten darauf nicht antworten, weil keiner von ihnen zur Vorstellung der Studie erschienen war.

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Quelle:
SZ vom 21.04.2018
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