Kommunale Online-Petitionen:Politik mitbestimmen im Netz

Petitionen im Internet

Die Grünen in München wollen ein kommunales Portal für Online-Petitionen.

(Foto: SZ-Grafik, Foto: Apple)

Die Grünen wollen ein kommunales Portal für Online-Petitionen. Wenn es genügend Stimmen für ein Thema gibt, soll es künftig an den Stadtrat weitergereicht werden. Eine Petition zum FC Bayern wird aber wohl nie so weit kommen.

Von Melanie Staudinger

Green City ist gerade auf virtueller Sammeltour. Der Vereinigung geht es um die Situation der Radfahrer in der Rosenheimer Straße. Die Petition startete Ende Januar. 2237 Bürger haben sich ihr bereits angeschlossen. Andreas Dorsch hat gestört, dass der Biergarten an der Fraunhoferstraße gegenüber von der Reichenbachbrücke an der Isar abgerissen worden ist. "Kein Luxustempel" forderte er und stellte sein Anliegen ins Internet. 12 279 Menschen haben unterzeichnet.

Auf 2229 Unterstützer bringen es die Tennisspieler von der Tivoli-Anlage. Sie wollen ihre Plätze erhalten. Obwohl der Stadtrat längst entschieden hat, dass dorthin das Wilhelmsgymnasium während seiner Sanierung ausgelagert wird, kommen täglich weitere Anhänger hinzu. Und auch für den Erhalt von zwei Häusern in der Müllerstraße werden via Internet Mitkämpfer mobilisiert.

Online-Petitionen liegen gewiss im Trend. Europaweit setzen sich Menschen dafür ein, dass Trinkwasser nicht privatisiert wird. Andere wollen das Bienensterben beenden oder kämpfen vehement dafür, dass das ZDF die Talkshow von Markus Lanz endlich absetzt. Auch auf kommunaler Ebene wollen Menschen Einfluss nehmen: Sie wollen mitentscheiden, wie sich ihre Stadt entwickelt, wo Radwege nötig sind oder Schulen gebaut werden. Das Internet bietet einen einfachen Weg dafür. Nirgendwo sonst können sich Menschen schneller und unkomplizierter zusammenschließen. Und niemand muss mehr dafür auf der Straße Unterschriften sammeln. Allerdings gibt es derzeit eine Vielzahl von Plattformen wie Openpetition oder Change.org, aber kein gebündeltes Forum, das politische Mitbestimmung via Internet sichert.

Bürgerberatungsstelle vs. Online-Petition

Die Grünen wollen das ändern: Sie wollen Online-Petitionen auf kommunaler Ebene in München einführen. Bürger sollen auf einem Portal Forderungen oder Wünsche eintragen können. Ist eine bestimmte Zahl von Unterschriften - den Grünen schweben 2500 vor - erreicht, soll der Stadtrat das Thema beraten. Florian Roth verspricht sich davon ein neues Instrument für Bürgerbeteiligung, man wolle dringend neue Wege suchen, "um das nachlassende Interesse der Bürger an der Kommunalpolitik durch neue Formen der direkten Mitbestimmung zu stärken". Er sieht sich durch die Ergebnisse der von der Stadt in Auftrag gegebenen Bürgerumfrage bestätigt: Das Interesse an Mitwirkung sinkt generell zwar, gleichzeitig aber wollen die Münchner über das Internet mitreden. Online-Voting hat mit 55,2 Prozent besonders gut abgeschnitten.

Die Stadtverwaltung sieht das anders: In ihrer Stellungnahme für die Sitzung des Verwaltungs- und Personalausschusses führt sie zum einen rechtliche Probleme an. Beim in der bayerischen Gemeindeordnung verankerten Petitionsrecht könnten Eingaben und Beschwerden an den Stadtrat, anders als etwa beim Bundestag, nicht von einem Quorum abhängig gemacht werden.

Das Rathaus argumentiert aber auch damit, dass Bürger bereits jetzt viele Möglichkeiten haben, ihre Anliegen einzubringen. Seit dem Sechzigerjahren gebe es die Bürgerberatungsstelle des Oberbürgermeisters, an die sich alle wenden könnten. Bis zu 5000 Anliegen gingen dort jährlich ein. Münchner könnten zudem einen Bürgerantrag stellen sowie Bürgerversammlungen besuchen und dort mit abstimmen. Im Internet bietet das Rathaus das Angebot "Direkt zu_Ude.de", in dem Nutzer Beträge schreiben oder auch Videobotschaften senden könnten.

Kein wirklicher Zugewinn

SPD und Linke folgten im Verwaltungs- und Personalausschuss Ende Januar dieser Argumentation. Bürger hätten vielfältige Möglichkeiten, sich an den Stadtrat zu wenden, sagte Christian Amlong (SPD). Online-Petitionen brächten keinen wirklichen Zugewinn. "Außerdem würden sie suggerieren, dass wir einem Bürger nur dann zuhören, wenn er genügend Unterstützer hat. So ist es aber nicht", erklärte er.

Grüne, CSU, FDP und Freie Wähler sahen das anders. Es kam zu einer Pattsituation bei der Abstimmung. Deshalb wird sich die Vollversammlung des Stadtrats in seiner Sitzung an diesem Mittwoch erneut mit dem Thema Online-Petitionen beschäftigen - hier gibt es andere Mehrheitsverhältnisse als im Ausschuss. "Auch wenn wir uns wahrscheinlich nicht durchsetzen können: Wir bleiben bei unserer Ablehnung", sagte Amlong.

Grünen-Fraktionssprecher Florian Roth sagt hingegen: "An einer freiwilligen Selbstverpflichtung kann uns doch keiner hindern." Auch wenn die Gemeindeordnung Unterzeichnern von Online-Petitionen kein Antragsrecht im Stadtrat einräume, schließe das doch nicht aus, dass die Verwaltung auf einem Online-Portal Vorschläge der Bürger sammle. Dass sich dort auch rechtlich oder moralisch fragwürdige Anliegen finden könnten, will er nicht ausschließen.

Schon jetzt protestieren extreme Katholiken und Rechte im Netz etwa gegen den Werbeflyer der Stadt für den Familienpass, weil ihnen nicht passt, dass dort Homosexuelle mit Kindern abgebildet sind. "Wir müssen uns auch mit problematischen Dingen auseinandersetzen", sagt Roth, "das gehört zum demokratischen Prozess dazu." Man müsste ja auch nicht jedes Anliegen im Stadtrat beschließen. Daher braucht sich der Mann, der derzeit im Netz die Abschaffung des FC Bayern fordert, um die Bundesliga wieder spannender zu machen, eher keine Hoffnungen machen.

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