OEZ-Anschlag:Sechs Jahre Haft, ein erfreulich klares Urteil

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Im Juli 2016 sind am Olympia-Einkaufszentrum Schüsse gefallen. (Foto: picture alliance / dpa)

Der Betreiber der Darknet-Plattform hat dem späteren Attentäter vom OEZ den Waffenkauf ermöglicht - und sich somit mitschuldig gemacht.

Kommentar von Ronen Steinke

Mit einer ganz simplen Idee ist Alexander U., ein Informatikstudent aus bürgerlichem Elternhaus im Badischen, zum bejubelten Helden einer Netz-Szene geworden. Es dauert nur fünf Minuten: Mit ein bisschen Gratis-Software kann jeder Mensch ins Darknet. Dort ist man anonym. Dort hat Alexander U., 31, in freundlichstem, hellem Design einen Online-Marktplatz eröffnet, jeder konnte sich kinderleicht registrieren.

Jeder konnte zum Verkauf anbieten, was immer er oder sie wollte, grenzenlose Freiheit für jegliche geheime Sehnsucht, Alexander U. hat sich niemals eingemischt und niemandem Vorschriften gemacht. Wie Ebay. Nur ohne Gesetze. Ein libertäres Wunderland. So haben Leute seine Website genutzt, um erst Haschisch zu verkaufen. Später Pillen. Und bald auch Härteres, Waffen. Mit einer dieser Waffen sind in München dann neun Morde verübt worden, am Olympia-Einkaufszentrum, dem OEZ, am 22. Juli 2016. Aber damit hatte Alexander U. - so sah er selbst das, der Libertäre - schon gar nichts mehr zu tun.

OEZ-Anschlag
:Sechs Jahre Haft für Betreiber von Darknet-Plattform

Der Betreiber einer Darknet-Plattform, über die der Münchner Attentäter vom Juli 2016 seine Waffe gekauft hatte, ist zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden.

Oh doch, sagt nun das Landgericht Karlsruhe in einem überraschend scharfen Urteil. Sechs Jahre Gefängnis. Das ist wuchtig. Es hätte leicht auch anders kommen können. Die Strafverteidiger von Alexander U. hatten sogar auf einen Freispruch hoffen dürfen. Denn juristisch betritt man hier Neuland: Alexander U. hat keine Waffendeals gemacht. Er hat "nur" die Hemmschwelle abgesenkt für andere, die das tun wollten.

Für junge Leute zum Beispiel, die sich in der "realen Welt" nicht trauen würden, einen Waffenschmuggler-Mafioso aufzusuchen. Online bestellen aber, das trauen sie sich. "Der Hehler ist schlimmer als der Stehler", so geht ein altes Sprichwort. Das heißt: Wer einen Markt schafft, der andere zu kriminellen Taten motiviert, der macht sich mitschuldig. Das hat Alexander U. getan, das ist seine Schuld. Und diese Schuld wiegt, hält man sich das OEZ-Verbrechen vor Augen, schwer.

Es ist eine Erleichterung, dass das Landgericht Karlsruhe dies jetzt so klar entschieden hat. Selbst die Rechtspolitiker im Bundestag waren nervös, ob dieses Pilotstrafverfahren erfolgreich ausgehen würde. Die Sorge steht sogar im Koalitionsvertrag von Union und SPD: Falls Administratoren wie Alexander U. nach geltendem Recht straflos davonkämen, "werden wir eine Strafbarkeit für das Betreiben krimineller Infrastrukturen einführen", um "das Betreiben eines Dark-net-Handelsplatzes für kriminelle Waren und Dienstleistungen" zu einem eigenständigen Delikt zu erklären. Bleibt zu hoffen, dass das Urteil in der nächsten Instanz hält. Sonst müsste tatsächlich das Strafrecht geändert werden.

© SZ vom 20.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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