Kommentar:Unsozialer Deal

Freizeitflächen sind in München ein kostbares Gut. Wenn Bauherren bei der Entwicklung von Neubaugebieten keine Ausgleichsflächen auf dem Grundstück nachweisen können, zahlen sie einen Geldbetrag - einen Bruchteil von den Verkaufserlösen

Von Johannes Korsche

Es ist in München eingeübte Praxis bei der Entwicklung von Neubaugebieten, die Freizeitflächen nicht auf dem Grundstück selbst nachzuweisen, sondern auf die umliegenden Parks abzuwälzen. Dafür bezahlt der Bauherr im Gegenzug einen gewissen Betrag und kann sich wieder der Flächenoptimierung seines Grundstücks widmen - und dort statt der vorgeschriebenen Grünanlage lieber mehr Wohnungen bauen. Das klingt zunächst nach einem fairen Tausch. Gerade in München, wo Wohnraum so knapp ist wie Mineralwasser in der Wüste. Bei genauem Hinsehen ist es nicht fair. Denn damit werden öffentliche Grünflächen für den Profit der Investoren gewissermaßen privatisiert.

Es hat fast eine gewisse Tragik, dass sich der Protest an diesem gängigen Prozedere an der Bayerischen Hausbau und dem ehemaligen Paulaner-Gelände entzündet. Erst wird das ehemalige Brauerei-Areal - und damit die Bayerische Hausbau - mit ihren exorbitanten Quadratmeterpreisen zum Symbol für den exzesshaften Münchner Immobilienmarkt. Und nun wird der Firma vorgehalten, sich auf skandalöse Weise von ihrer Verpflichtung freizukaufen. Allein, Mitleid ist nicht angebracht, im Gegenteil: Die Kritik sollte noch lauter werden - und sich auch gegen die Stadtverwaltung richten.

Denn die Rechnung der Hausbau läuft folgendermaßen: Die Firma muss nur die offenbar teuerste Wohnung auf dem Paulaner-Gelände, sie liegt an der Falkenstraße (3,1 Millionen Euro, Stand Mai 2018), und das günstigste Apartment (399 000 Euro) sowie die 18 Tiefgaragenstellplätze an der Falkenstraße (jeweils knapp 50 000 Euro) verkaufen - schon hat sie jene 4,4 Millionen Euro verdient, welche nun als "Kompensationszahlung" fällig werden. Im Gegenzug darf die Hausbau ihre Grundstücke dicht bebauen und zwischen die Blöcke einen Mini-Quartierspark quetschen. "Freigekauft", so lautet der Vorwurf der Bürger - und die Stadt lässt sich auf diesen unsozialen Deal ein, muss man hinzufügen. Zur Erinnerung, Grundgesetz, Artikel 14: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."

Die Verwaltung lässt Investoren viel zu billig davon kommen; sie verlangt keinen angemessenen Preis. Wenn der Investor keine Freizeitflächen schaffen will, muss das mehr, viel mehr, kosten als nur ein Bruchteil von den Verkaufserlösen. In einer Boomstadt wie München wird man Bauherrn dadurch wohl kaum abschrecken. Die Münchner Bürger aber würden zumindest ein wenig von den Gewinnen der Investoren profitieren. Wenn das dem Investor zu teuer ist, muss er in den sauren Apfel beißen - und den Park auf seinem Grundstück realisieren.

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